Wer einen wie Peter auf sich zukommen sieht, würde wohl einen Bogen um ihn machen. Er ist ein junger Mann, der sich schlecht artikulieren kann, aber in der Kneipe endlos vor sich hin brabbelt. Der trinkt und den Alkohol nicht verträgt. Der durchs Quartier streunt und auch vor Baustellenabschrankungen nicht Halt macht. Ein Randständiger und ausserdem einer, der sich so gar nicht als Romanheld eignet.
Peter ist denn auch kein Held, sondern eher ein Antiheld. Er hat keinen Job und verdient sich das Nötigste mit Hilfsarbeiten. Und die Welt jenseits seiner vertrauten Kneipen und Ecken wird ihm rasch zu komplex. Am liebsten gondelt er in der S-Bahn herum oder liegt im Wäldchen unter Blättern und saugt an einem Zweig. Auch wenn man ihm natürlich beigebracht hat, dass man das nicht tut.
Besessen auf der Suche nach einer Frau
Doch Peters Freunde sorgen sich mehr um das, was Peter nicht tut. Er macht nichts aus seinem Leben. «Wenn du arbeiten würdest, könntest du ändlich öpper werden», sagt ihm sein Trinkkumpane Bernhard. Es müsse doch «öppis, oui quelque chose» passieren: nicht nur auf der Brache im Quartier, sondern auch bei Peter.
Die Wahrsagerin Mischa, die Peter bei ständig steigendem Minutentarif telefonisch um Rat fragt, setzt ihm die Idee einer Begegnung mit einer «Unbekannten» in den Kopf, die sein Leben ändern werde. Peter ist in der Folge wie besessen auf der Suche nach dieser Frau – nach jener, die einen Blick und ein Lächeln für ihn hat. Bis es endlich zu einer solchen Begegnung kommt, ist der junge Sonderling dem Leser längst ans Herz gewachsen.
«Monsieur l’auteur» mischt auch mit
Ebenso sonderbar wie der Protagonist ist auch die Sprache des Romans, den der Westschweizer Autor Alexandre Lecoultre im Original auf Französisch verfasste. Peter ist französischer Muttersprache, lebt aber in der Deutschschweizer Stadt Z., die recht deutlich als Zürich identifizierbar ist. Er spricht und denkt in einer Mischsprache aus Deutsch und Französisch. Die Übersetzerin Ruth Gantert löst die knifflige Aufgabe durch eine deutsche Kunstsprache, die mit französischen und mit Mundartelementen durchsetzt ist. «Die Chipsbrösmeli isst der Peter nadisna, zuletzt bleibt nichts.»
Lecoultre gelingt die schwierige Aufgabe, dem Wesen seines Protagonisten gerecht zu werden und seinen Lesern Zugang zu einer ungewohnten Weltsicht zu vermitteln, die zwar beschränkt, aber faszinierend ist. Seine Arbeit ist in gewisser Weise durch die Romanfigur eines Schriftstellers gespiegelt. «Monsieur l’auteur» lädt Peter zum Grappa ein, und er liest ihm seine neusten Entwürfe vor und bricht dabei in Tränen aus.
«Öppis, oui quelque chose» – was ist es?
Ins Buch eingestreut sind in Kursivschrift Abschnitte in einer gewählten literarischen Sprache. Hier scheint sich jemand selbst anzusprechen und anzutreiben. «Wache die ganze lange Nacht. Wache, wie man auf einem Weg der Stille geht.» Ob es Fragmente eines Manuskripts von Monsieur l’auteur sind, das Peter in seiner Innensicht zu erfassen versucht, oder ob sich hier gar Peters eigene Stimme manifestiert, ist nicht eindeutig zu beantworten. Ebenso bleibt am Ende die Frage offen, was das neue «öppis, oui quelque chose» ist, das sich bei Peter ereignet. Auf der Brache wird am Ende jedenfalls gebaut.
Alexandre Lecoultre
Peter und so weiter
Aus dem Franz. von Ruth Gantert
168 Seiten (Der gesunde Menschenversand 2024)