C Pam Zhang widmet sich einem Teil der US-Vergangenheit, der literarisch kaum behandelt wurde. Der Geschichte von chinesischen Einwanderern, die wesentlich zur Besiedlung des Westens beigetragen haben. Die Protagonisten ihres Romans sind weder weisse Cowboys noch Ureinwohner, sondern zwei Geschwister chinesischer Abstammung, die nach dem Tod der Eltern ums Überleben kämpfen.
Ein Roman über Trauer und Rituale
«Wie viel von diesen Hügeln ist Gold» beginnt als Suche nach einem Zuhause und einem Ort, an dem die 12-jährige Lucy und die 11-jährige Sam ihren Vater Ba beerdigen können. Mit einer Pistole bewaffnet, schleppen die Waisenkinder seine Leiche durch den sonnenverbrannten Westen. Der Alte hatte sich Mitte des 19. Jahrhunderts dem Goldrausch angeschlossen. «Wie tausend andere dachte er, das gelbe Gras dieses Landes, glänzend wie Münzen im Sonnenschein, verspräche einen noch glänzenderen Lohn.» Doch Ba fand nur Kohle, welche die Familie mit Spatzenportionen ernährte. Die Mutter ist längst tot, als der Vater stirbt, vielleicht aus Erschöpfung, vielleicht an Alkoholismus. Vom ersten Satz an geht es um Trauer und die Bedeutung von Ritualen. Die Kinder wollen den Vater traditionell begraben – mit Silbermünzen auf den Augen. Wackelige Kutschen, Bisons und Gesetzlose pirschen sich in Seitensträngen durch die Geschichte.
Inspiriert wurde der Roman von der Biografie der Autorin. C Pam Zhang wurde 1990 in Peking geboren, kam als Kind in die USA und hat dort schon in einem Dutzend Städten gelebt. Ihr Vater starb, als sie 22 war. Bei der Veröffentlichung ihres Romans in den USA im vergangenen Jahr war sie 30 Jahre jung. Sie ist eine kraftvolle Erzählerin mit einem Hang zu dichten Sätzen. «Die Schule ist nicht anders als die Arbeit im Bergwerk. Der gleiche Spott, die gleichen blauen Flecken, die gaffenden Blicke so erdrückend wie die unterirdische Dunkelheit», schildert Lucy etwa den Rassismus.
Die Übersetzerin sucht nach dem richtigen Ton
Hervorragend aus dem Englischen übersetzt wurde das Buch von Eva Regul. «Am Anfang steht die Suche nach dem richtigen Ton – wie klingt die Erzählerstimme, wie wirkt sie auf mich, und wie wird diese Wirkung erzeugt?», schildert Regul dem kulturtipp ihre Arbeit. «Zhang lässt vieles ungesagt, sowohl innerhalb der Familie als auch in der Geschichte selbst. Man muss sich das erschliessen und wird dann oft überrascht, dass es doch ganz anders ist, als man zuerst dachte.» So werden keine realen Ortsnamen genannt, auch die Zeitangaben bleiben kryptisch – Details, die angesichts der Fülle von malerischen Beschreibungen ohnehin überflüssig erscheinen.
Ein Happy End gibt es nicht. Lucy prostituiert sich, um Sams Schulden zu begleichen. Der Job fällt ihr leicht. «Sie hat schon vor Jahren ein Grab geschaufelt, jetzt wirft sie alle Sams und alle Lucys von früher hinein.» Am Schluss hat man eine ganz neue Perspektive auf den Goldrausch erhalten – mit all seinen Härten und das auch noch poetisch inszeniert.
Buch
C Pam Zhang
Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
Aus dem Englischen von Eva Regul
352 Seiten
(S. Fischer 2021)