«und jetzt direkt nach weihnachten gerat ich mit einer gruppe macker in einen kleinen fight, erst krieg ich pepperspray in die fresse, dann die härteste faust ever direkt auf die nase, ich schleuder die machete blind hin und her und hitte irgendwas und irgendwer schreit und als ich hinterher die jungs treffe, sagt marco so, guckt euch den chabo an, voldemort is in town.»
Oliver Lovrenski schreibt eindringlich, lässig und lyrisch zugleich; ohne unnötige Erklärungen oder Gross- und Kleinschreibung, ehrlich – und meist mit Pointe. Der 22-Jährige ist in Oslo als Sohn einer Kroatin und eines Norwegers geboren. Seinen autobiografischen Debütroman hat er teilweise auf dem Handy geschrieben. Das Buch bekam in Norwegen mehrere Preise und blieb trotz ungewöhnlichem Stil sechs Monate auf der Bestsellerliste. Nun erscheint es auf Deutsch.
In «bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann» geht es um vier Jungs in einem finanzschwachen Osloer Vorort, die ihre Tage mit Konsum und Handel verschiedener Rauschmittel statt mit Schule verbringen. Marco, Arjan, Jonas und der Ich-Erzähler Ivor befinden sich in der fragilen Phase zwischen Kindheit und Erwachsensein.
Als Oma stirbt, gehts mit den Teenagern abwärts
Ihr intensiver Alltag schweisst die Freunde enger zusammen, verunmöglicht aber auch einen Ausstieg aus der Szene. Lovrenski erzählt seinen Entwicklungsroman geschickt als Collage, in deren Lücken das in dieser Welt Unsagbare, Zärtliche noch schwerer wiegt.
Ivor wollte eigentlich Anwalt werden, hat mit solchen aber nur noch auf der Anklagebank zu tun. Marco hadert damit, dass sein Lebensstil nicht zum Islam passt. Jonas liebt seine Oma – und wenn sie Waffeln macht, werden die vier Gangster wieder zu Kindern.
Doch die Ganggewalt und die Drogensucht spitzen sich zu. Als die Oma stirbt, schwindet Jonas’ Lebenswille, und der Abwärtsstrudel der vier Jungs dreht sich schneller.
Auf den eigenwilligen Stil des Buchs muss man sich erst einlassen. Der Spannungsaufbau macht es einem leicht. Einige Begriffe wie «para», «vipsen» oder «Blech rauchen» können Leserinnen und Leser, die keine Rapmusik hören, hinten im Buch nachschlagen. Dass die Übersetzerin Karoline Hippe nicht der Versuchung erlegen ist, die Begriffe zu ersetzen, war aber ein guter Entscheid. Denn die glaubwürdige Sprache verleiht der Erzählung ihre unmittelbare Kraft.
Buch
Oliver Lovrenski bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
248 Seiten
(Hanser 2025)