«Das Kino ist die Wahrhaftigkeit unserer Träume.» Mit diesem Satz hat die attraktive Französin Héloise den Filmkritiker Marcel Klein bereits für sich eingenommen. Als sie auch noch Charlie Chaplins «Modern Times» als Lieblingsfilm bezeichnet, ist Klein endgültig hin und weg.
Der Filmjournalist, in Insiderkreisen als «Promiflüsterer» bekannt, lernt Héloise gleich an seinem ersten Tag an den Filmfestspielen in Cannes kennen. Zwischen den beiden entspinnt sich eine mysteriöse Liebesgeschichte, denn beide verbergen voreinander einige Lebenslügen und begegnen sich in wechselseitiger Anziehung und Abstossung.
Der deutsche Schriftsteller Emanuel Bergmann, der selbst 18 Jahre lang als Filmjournalist tätig war, hat sich in seinem Roman «Tahara» einen glamourösen Schauplatz ausgesucht, den er aus Reportersicht mit trockenem Humor aufs Korn nimmt. Zur Pressekonferenz mit John Travolta etwa trottet sein Protagonist eher widerwillig: «Marcel musste hin, obwohl es bei Pressekonferenzen eigentlich nie viel zu holen gab. Man war dort nur ein Ferkel am Trog, umringt von Kollegen, die alle um dieselben Bröckchen wetteiferten. Aber wenigstens gab’s da was zu essen.»
Getragen von der Leidenschaft fürs Kino
Bergmann überzeugt in diesen satirischen Passagen, aber auch, wenn er die Leidenschaft seines Protagonisten für die Magie des Kinos herausstreicht. Das Kino erzähle oft die wahrhaftigeren Geschichten als das Leben selbst, ist dieser überzeugt – und es kann ein «Gefühl ehrfürchtigen Staunens wecken», wie es Regisseur Martin Scorsese in Cannes ausdrückt.
Etwas konstruiert und oberflächlich wirkt dagegen die Liebesgeschichte mit dem Katzund-Maus-Spiel, das sich die beiden Protagonisten liefern. Die Frauenfigur bleibt in der Darstellung blass, obwohl Héloises Melancholie, die ihrem Verehrer von Anfang an auffällt, ein dunkles Geheiminis zugrunde liegt. Dass Bergmann die vielschichtigen Charaktere eigentlich liegen, hat er 2016 mit seinem berührenden Bestsellerdebüt «Der Trick» rund um einen Zauberer und einen zehnjährigen Jungen bewiesen.
Gute Ferienlektüre mit dem Flair der Côte d’Azur ist «Tahara» allemal. Der Buchtitel bezieht sich übrigens auf ein jüdisches Bestattungsritual, die Waschung der Verstorbenen. Für Marcel Klein ist die Tahara seines Vaters, über die er einst seinen ersten preisgekrönten Artikel verfasst hatte, der «Schlüssel zu allem», der Beginn seiner Lügengeschichten, die besser sind als das wirkliche Leben. So wie ein guter Film im Kino.
Buch
Emanuel Bergmann
Tahara
288 Seiten
(Diogenes 2024)
Erhältlich ab Mi, 21.2.