Inhalt
29.06.2023
Der Inhalt von «Väter» lässt sich schnell zusammenfassen: Ein mittlerweile selbst Vater gewordener Sohn, Ende 30, befragt den eigenen Vater, einen Professor der Chemie, nach dessen Verstrickungen in der NS-Zeit. Er leuchtet die eigene Familiengeschichte mit sieben Geschwistern aus und schreibt selbstkritisch über seine Rolle als moderner Vater in Berlin.
Auf dem Buchrücken werden durchgehend spannende Fragen aufgeworfen: Wie setzen sich nationalsozialistische Prägungen in der Familie fort? Welche überkommenen Ideale, welche patriarchalen Vorstellungen haben sich in den Erzähler eingeschrieben? Welche davon gibt er vielleicht selbst weiter?
In Ansätzen beantwortet der Autor diese Fragen, wie etwa im Fall der Idealisierung von Leistung und Stärke. Aber über weite Strecken gelingt es ihm nicht, die Themen tiefer gehend auszuleuchten. So erfährt man etwa alles Mögliche über den Vater des Erzählers, doch bleibt dieser, abgesehen von einzelnen charakterisierenden Zuschreibungen, eher blass.
Langatmig und wenig ambitioniert erzählt
Das Buch reiht sich ein in die zurzeit viel besprochene Riege autofiktionaler Literatur. In Teilen ist es spannend erzählt. Und auch manche Sätze wirken nach. Dennoch überzeugt der Text nicht gänzlich: Zu sprunghaft kommt er daher und verliert sich in alltäglichen Beobachtungen, weithin gestreuten Erinnerungsfetzen oder akademisch anmutenden Reflexionen, unter anderem über den «soldatischen Mann». Besonders langatmig lesen sich die über Seiten ausgebreiteten Alltagsbeschreibungen des gestressten Familienvaters.
Sie zeigen zwar das Offensichtliche, gehen aber nur ansatzweise darüber hinaus: «Ein schwarzer Passat, der links blinkt, biegt an der Querstrasse auf der anderen Seite der Brücke nicht ab und kommt weiter im mittleren Tempo auf uns zu.» Man fragt sich, warum derart unökonomisch und wenig ambitioniert erzählt wird. Auch die Dialoge entfalten kaum Wirkung.
Nur wenige Stellen leuchten die Themen literarisch aus. Eine beschreibt den mitunter autoritär-aggressiven Charakter des 1933 geborenen Patriarchen: «Untereinander oder auch gegenüber meiner Mutter bezeichnen wir Kinder diese Wutanfälle als ‹Schafe schlachten›, um das drohende oder heraufziehende Übel unauffällig benennen zu können.»
Was von Verlagsseite mit der Etikette einer «schonungslosen Selbstbefragung» des Autors hochstilisiert wird, gleicht am Ende eher einem zusammengewürfelten Konvolut höchst unterschiedlicher Textform.
Buch
Paul Brodowsky – Väter
302 Seiten (Suhrkamp 2023)
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