«Ich kann an zwei Händen abzählen, wie oft wir uns gesagt haben, dass wir uns lieben. Ich bräuchte nicht mal alle Finger dafür», stellt Benson trocken fest. Die Beziehung des schwarzen Kita-Betreuers mit Mike, einem Koch mit japanischen Wurzeln, steht auf wackeligen Beinen. Beide Partner wissen nach vier Jahren nicht mehr so genau, wieso sie noch zusammen sind.
Der Roman «Dinge, an die wir nicht glauben» von Bryan Washington ist ein queeres Liebesdrama, das nicht nur klassische Beziehungskonflikte rund um Treue, Loyalität und Sex aufgreift, sondern auch gesellschaftliche Themen wie häusliche Gewalt, Armut und Alkoholismus streift. Wie in seiner Kurzgeschichtensamm-lung «Lot», die im Mai auf Deutsch erscheint, geht der 28-jährige texanische Autor zudem Fragen zu Herkunft und Zugehörigkeit nach.
Die Handlung springt zwischen Houston und Osaka, wo Mike seinen todkranken Vater besucht – ausgerechnet dann, als seine Mutter Mitsuko in die USA reist, um ihren Sohn zu besuchen. Somit bleibt Benson mit der ihm fremden Frau allein in der Einzimmerwohnung des Paars zurück. Anhand dieser ungewöhnlichen Ausgangslage untersucht Washington die unterschiedlichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Ganz selbstverständlich rückt er dabei Gruppen jenseits der Mainstream-Gesellschaft in den Fokus, ohne dabei ihre marginalisierte Identität zum Thema zu machen.
In rauem, sarkastischem Ton
Die beiden schwulen Männer sind Scheidungskinder, die ihre hitzigen Streitereien statt mit Worten lieber mit Sex oder japanischem Essen, liebevoll zubereitet von Mike, lösen. Vieles bleibt unausgesprochen. Für Romantik ist kein Platz. Die Leere füllt der Autor mit Alltagsbeobachtungen und Anekdoten aus der Vergangenheit. In nüchterner Sprache gibt er Textnachrichten wieder, bildet sogar Fotos ab. Die stakkatoartige Erzählweise und der raue, sarkastische Ton sind gewöhnungsbedürftig, machen die Charaktere aber umso realer und authentischer.
Ein weiterer erzählerischer Kniff: Der Roman wechselt zwischen Bensons und Mikes Schilderungen. So werden dieselben Momente aus zwei Blickwinkeln erzählt. Während die beiden oft ratlos voreinander stehen, hat der Leser ein besseres Verständnis für das Verhalten der Männer. Gerne würde man vermitteln, ihnen besonders harsche Reaktionen des jeweils anderen erklären. Ob ihre Liebe dadurch zu retten wäre?
Buch
Bryan Washington
Dinge, an die wir nicht glauben
384 Seiten
(Kein & Aber 2021)