Roman: Geld, Macht und die Moral
Megha Majumdar erzählt in ihrem Debütroman «In Flammen» eine eindringliche Geschichte aus dem heutigen Indien mit all seinen Widersprüchen.
Inhalt
Kulturtipp 21/2021
Babina Cathomen
Eine junge Muslimin aus dem Slum, ein nach Höherem strebender Sportlehrer und eine Transfrau, die von der grossen Bollywood-Karriere träumt: Das Leben dieser drei Figuren verknüpft die indische Autorin Megha Majumdar in ihrem packenden Roman «In Flammen». Durch einen regierungskritischen Facebook-Beitrag erfährt Jivans Leben eine drastische Wende: Die Muslimin, die es vom Slum bis zur Verkäuferin in einem Modegeschäft gebracht hat, wird nach...
Eine junge Muslimin aus dem Slum, ein nach Höherem strebender Sportlehrer und eine Transfrau, die von der grossen Bollywood-Karriere träumt: Das Leben dieser drei Figuren verknüpft die indische Autorin Megha Majumdar in ihrem packenden Roman «In Flammen». Durch einen regierungskritischen Facebook-Beitrag erfährt Jivans Leben eine drastische Wende: Die Muslimin, die es vom Slum bis zur Verkäuferin in einem Modegeschäft gebracht hat, wird nach einem Terroranschlag, bei dem zahlreiche Menschen in einem brennenden Zug ums Leben kamen, als Sündenbock hingestellt und verhaftet. Die drohende Hinrichtung der vermeintlichen Terroristin könnte durch zwei Aussagen vor Gericht abgewendet werden: zum einen durch ihren ehemaligen Sportlehrer PT Sir, der Jivan als begabte Schülerin kennengelernt hat. Und zum anderen durch Lovely, die als Hijra zum dritten Geschlecht gehört, «halb und halb» ist, wie sie selbst sagt – Jivan hat ihr Englischunterricht gegeben. Doch während PT Sir sich um seine Karriere bei einer rechtskonservativen Hindu-Partei sorgt, will Lovely, die sonst stets ein Herz für die Schwachen hat, ihre gerade beginnende Schauspielkarriere nicht gefährden.
Aus drei verschiedenen Perspektiven
Geld, Macht, Ruhm – das sind die Antreiber, welche Menschlichkeit und Moral vergessen lassen. Das zeigt die junge, in New York lebende indische Autorin Megha Majumdar in ihrem eindringlichen Debüt. Ihre Geschichte erscheint zwar zuweilen etwas konstruiert, vermag aber dennoch zu berühren. Sie erzählt differenziert und mit viel Empathie aus unterschiedlichen Perspektiven: allen voran ihrer drei Hauptfiguren, die sich auch sprachlich unterscheiden und durch ihre je eigene Stimme zu komplexen Charakteren werden. Und sie erzählt von einem Land, in dem Korruption herrscht, die Ungleichheit gross ist und Randgruppen, zu denen auch Jivan als Muslimin sowie Lovely als Hijra zählen, ein schweres Los haben. Majumdars leichter, zuweilen gar humorvoller Ton kann schnell abrutschen in tieftraurige, bei-nahe unerträgliche Passagen, welche die vorherrschende Ungerechtigkeit aufdecken. Wird Jivan Gerechtigkeit widerfahren? Diese Hoffnung hegt man bis zuletzt.
Buch
Megha Majumdar
In Flammen
Aus dem Englischen von Yvonne Eglinger
336 Seiten
(Piper 2021)