Roman: Gefährlicher Zauber
Italianità zwischen Küche, Familie und Fernsehstudio: Andrea De Carlos neuer Roman «Margherita und der Mond» ist Satire und Psychogramm in einem.
Inhalt
Kulturtipp 16/2021
Frank von Niederhäusern
Nie könnte sie an einem anderen Ort leben. Margherita ist Anfang 40 und stolze Venezianerin. Im verwinkelten Castello-Quartier führt sie mit einer Freundin ein winziges Restaurant. Doch nicht nur dieses Lokal hält sie in Venedig, auch ihre Familie und Langzeitpartner Luca, mit dem sie in Mestre auf dem Festland lebt. Ob sie glücklich ist? Darüber macht sich Margherita kaum Gedanken. Und gerät sie doch einmal ins Sinnieren, schaut sie zum Mond ...
Nie könnte sie an einem anderen Ort leben. Margherita ist Anfang 40 und stolze Venezianerin. Im verwinkelten Castello-Quartier führt sie mit einer Freundin ein winziges Restaurant. Doch nicht nur dieses Lokal hält sie in Venedig, auch ihre Familie und Langzeitpartner Luca, mit dem sie in Mestre auf dem Festland lebt. Ob sie glücklich ist? Darüber macht sich Margherita kaum Gedanken. Und gerät sie doch einmal ins Sinnieren, schaut sie zum Mond empor, der ihr Trost und Zuversicht spendet.
Nicht zum ersten Mal schreibt Andrea De Carlo aus Frauensicht. Der 68-jährige Mailänder ist ein Meister komplizierter, auch ramponierter Beziehungsgeschichten. In «Margherita und der Mond» merkt die Titelfigur erst auf einer Reise nach Mailand, wie sie gefangen ist im Alltagstrott. Dorthin begleitet sie ihren Vater, einen alternden Sternekoch, zu Fernsehaufnahmen. Da sie ihn als launigen Exzentriker erlebt, analysiert sie ihre Beziehung zu ihm und stellt fest, wie sehr ihr Leben fremdbestimmt ist. Dann taucht der Zauberer Jules auf und versetzt Margherita in einen Gefühlstaumel.
Inspirierende Rezepte zum Nachkochen
Andrea De Carlos neuer Roman ist nicht sein bester. Zwar rührt er gekonnt eine packende Mixtur aus Satire und Psychogramm an: Seine Beschreibung der TV-Aufnahmen erinnert an Fellini-Filme. Als Kontrapunkt entführt er die Leser in Margheritas bewegte Innenwelt. Wunderschön zu lesen sind Passagen über die kulinarischen Künste von Vater und Tochter, deren herrliche Rezepte zum Nachkochen inspirieren – von Pasta alla gricia bis zur Dentice in Selleriecreme. Ein Buch also zum genussvollen Weglesen, wäre da nicht just dieser Zauberer, dessen Auftauchen Margheritas Beziehungs- und Gefühlschaos in die gefährliche Nähe einer Schmonzette rückt.
Glücklicherweise ist Andrea De Carlo ein geübter Stilist. Seine Sprache vermag zu bewegen, selbst widrige Wendungen kann man fast körperhaft nachempfinden. Als Hobbymusiker hat er ein perfektes Rhythmusgefühl, als Filmemacher schafft er stimmige Szenerien. So wird «Margherita und der Mond» zur Unterhaltungslektüre, die bald von anderen Geschichten abgelöst werden darf.
Buch
Andrea De Carlo
Margherita und der Mond
Aus dem Ital. von Petra Kaiser
288 Seiten
(Diogenes 2021)