Als Motto ist dem abschliessenden Teil der «Orbitor»-Trilogie ein Paulus-Zitat vorangestellt: «Unser Herr ist gekommen!». Dann: «Es war im Jahre des Herrn 1989. Die Menschen hörten von Kriegen und von Aufständen, doch sie ängstigten sich nicht, denn alles musste sich ereignen.» Bukarest befindet sich «am Ende des schicksalhaften Jahres 1989, des letzten Jahres des Menschen auf Erden».
Reales und Surreales
Das Volk leidet Hunger in Rumänien, die Revolution und damit der Tod des Unmenschen-Regimes ist nah. Mircea Cartarescu zeichnet ein Familien- und Gesellschaftsporträt vor dem Hintergrund der rumänischen Wirklichkeit. Dabei belässt er es freilich nicht. Es geht von Szenen aus der real existierenden Irrsinns-Diktatur bis zu mächtigen metaphysischen Bildern, zu Halluzinationen, Albträumen, Phantasmagorien und apokalyptischen Visionen. Zu den Wirklichkeitsbildern fügt sich immer wieder Surreales, in einem grossen, mitunter geradezu rauschhaften Erzählfluss ohne Ufer. Eigentlich unbeschreiblich.
Der Erzähler ist wie der Autor 33 Jahre alt anno 1989. Cartarescu, von Haus aus Lyriker, hat nach eigenen Angaben beim Verfassen seiner gewaltigen Roman-Trilogie «Orbitor» viel improvisiert. Angetrieben zum Schreiben hätten ihn Gefühle der Wut und der Rache angesichts des verhassten Regimes, das ihm und unzähligen anderen die Jugend gestohlen habe.
Übersetzer-Stipendium
«Die Flügel» ist ein nicht leicht zu bewältigender, monströser Roman-Brocken. Die Mühe der Lektüre lohnt sich am Ende aber unbedingt.
Die Übersetzung von Ferdinand Leopold ist buchstäblich ausgezeichnet: Für «Die Flügel» erhielt er das mit 50 000 Franken dotierte renommierte Zuger Übersetzer-Stipendium.
Buch
Mircea Cartarescu
«Die Flügel»
Deutsche Übersetzung:
Ferdinand Leopold
669 Seiten
(Zsolnay 2014).
Lesung
So, 9.11., 15.30
Volkshaus Basel (BuchBasel)
So, 9.11., 20.00
Theater Casino Zug
(mit Übersetzer Ferdinand Leopold)