Fünf Kapitel, fünf Frauen, fünf unterschiedliche Lebensentwürfe: Den Anfang des Reigens macht die Buchhändlerin Paula, die in Trauer um ihr verstorbenes Kind krank wird. Ihre beste Freundin, die selbstbewusste Ärztin Judith, entscheidet sich gegen die Mutterschaft und sucht sich ihre flüchtigen Affären über Dating-Portale aus. Die Schriftstellerin Brida wiederum versucht, Kinder und Kunst zu vereinen, und kommt nicht von ihrem Ex-Mann los. Dieser war früher mit der Geigenlehrerin Malika zusammen, welche die grosse Karriere und ihren Kinderwunsch nicht verwirklichen konnte. Die Schauspielerin Jorinde schliesst den Reigen: Gegen aussen hatte sie stets das perfekte Bild ihres Lebens mit Mann, Kindern und einem erfüllenden Beruf hochgehalten. Doch ihre Ehe ist nach Jahren der gegenseitigen Schuldzuweisungen und Lieblosigkeit am Ende.
Kluft zwischen Wunsch und Realität
So unterschiedlich die fünf Frauen Ende 30 sind, eines eint sie: der Wunsch, stark zu sein, sich treu zu bleiben. In Daniela Kriens Roman sind die Figuren in freundschaftlichen, manchmal rivalisierenden oder schwesterlichen Banden miteinander verknüpft. Sie alle leben in Leipzig, sind von der ehemaligen DDR geprägt und versuchen, den Ansprüchen des modernen Lebens gerecht zu werden. Sei das im Spagat zwischen Beruf und Familie oder beim Versuch, das Leben so zu gestalten, wie es dem inneren Antrieb entspricht.
Im Lauf der Jahrzehnte ist allerdings auch die Desillusionierung unvermeidbar. Dort, wo anfänglich das Liebesglück geleuchtet hat, lauert der Alltag. So heisst es etwa über die Autorin Brida, die nach einer Ferienwoche mit den Kindern, ihrem Ex-Mann und seiner Geliebten ernüchtert abreist: «Einst glaubte sie, ihr Dasein bestünde aus Möglichkeiten. Sie müsste lediglich wählen. Doch als die Kinder dazugekommen waren, kristallisierten sich Muster heraus. Regeln forderten Einhaltung. Kein Richter bestrafte die Zuwiderhandlung. Das Leben selbst erledigte dies.»
Daniela Krien, die selbst in der ehemaligen DDR aufgewachsen ist und seit 20 Jahren in Leipzig lebt, kennt die Kluft zwischen Wunsch und Realität aus eigener Erfahrung. Sie ist alleinerziehende Mutter zweier Töchter, die Pflege ihrer schwerbehinderten Jüngeren forderte den Abbruch ihres Studiums. «Meinen ersten Roman schrieb ich aus Verzweiflung», sagte sie in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Nach zahlreichen Absagen wurde ihr Debüt «Irgendwann werden wir uns alles erzählen» 2011 beim Graf Verlag entdeckt und zum Bestseller. Für ihren dritten vielgelobten Roman «Die Liebe im Ernstfall» steht sie nun unter den Fittichen des Diogenes Verlags. Ein Nachdruck ist bereits in Planung.
Verschiedene weibliche Lebensentwürfe
Mit ihrer sorgfältig aufgebauten Geschichte über die Verschiedenheit weiblicher Lebensentwürfe trifft Krien einen Nerv der Zeit. Ohne zu werten, fächert sie fünf Leben auf und schliesst neue Formen des Zusammenlebens nicht aus. Die kinderlose Malika und ihre Schwester Jorinde, die ihren Mann verlassen hat und mit drei Kindern überfordert ist, entscheiden sich etwa für das gemeinsame Wohnen. Die schwesterliche Rivalität, die vorher bestanden hatte, löst sich in dieser Gemeinschaft auf.
Buch
Daniela Krien
Die Liebe im Ernstfall
288 Seiten
(Diogenes 2019)