Roman: Es grollt im Hintergrund
Eine kurze, explosive Novelle: Nicolas Mathieus Protagonistin im neuen Werk «Rose Royal» bewegt sich mit offenen Augen auf den Abgrund zu.
Inhalt
Kulturtipp 22/2020
Letzte Aktualisierung:
12.10.2020
Babina Cathomen
Die fast 50-jährige Rose hat mit den meist als gewalttätig erlebten Männern eigentlich abgeschlossen – bis sie Luc kennenlernt. Das erste Treffen verläuft ungewöhnlich: Rose, stets mit einem Revolver in der Handtasche, gibt in ihrer Stammbar «Royal» in Nancy Lucs verletzter Hündin den Gnadenschuss.
So unkonventionell die Liebesgeschichte beginnt, so konventionell geht sie weiter. Die für Luxus empfängliche Sekretär...
Die fast 50-jährige Rose hat mit den meist als gewalttätig erlebten Männern eigentlich abgeschlossen – bis sie Luc kennenlernt. Das erste Treffen verläuft ungewöhnlich: Rose, stets mit einem Revolver in der Handtasche, gibt in ihrer Stammbar «Royal» in Nancy Lucs verletzter Hündin den Gnadenschuss.
So unkonventionell die Liebesgeschichte beginnt, so konventionell geht sie weiter. Die für Luxus empfängliche Sekretärin Rose hat sich zwar geschworen, Stärke zu zeigen, sich nie mehr von einem Mann abhängig zu machen. «Die Angst sollte die Seiten wechseln», sagt sie sich bei der Vorstellung, wie sie einem Mann ihren Revolver vors Gesicht hält. Und doch lässt sie sich auf den zwielichtigen Bauunternehmer Luc ein. Dieser zeigt sich anfangs charmant, lädt sie in teure Restaurants ein und beschenkt sie, doch bald bricht seine unterschwellige Aggressivität hervor. «Er erinnerte sie an ihren Vater, an schwierige Beziehungen, an Männer, denen man sich fügen musste, aus Angst, instinktiv.» Wider besseren Wissens gibt Rose ihr altes Leben, ihren Job und ihre Wohnung auf und begibt sich erneut in jene Abhängigkeit, die sie hatte vermeiden wollen.
Geschliffene Sätze und atemloses Tempo
Nicolas Mathieu, der für seine lothringische Milieustudie «Wie später ihre Kinder» den Prix Goncourt gewonnen hat, erzählt diese Geschichte in einem atemlosen Tempo. In drei kurzen Kapiteln, die aber mehrere Jahre abdecken, zeigt er in geschliffenen Sätzen unerbittlich auf, wie Rose mit offenen Augen auf den Abgrund zugeht. Stets ist im Hintergrund ein unheilvolles Donnergrollen hörbar. Denn dass diese von Gewalt geprägte Beziehung nicht gut enden wird, ist schnell klar. In Ansätzen zeigt der 42-jährige Autor, der selbst in der lothringischen Metropole Nancy lebt, auch hier seinen gnadenlosen Blick für das Leben der Abgehängten, «umgeben von Schweigen und Groll». Seine Rose, die sich gegen aussen hart gibt, hat trotz allem noch Hoffnung auf ein wenig Glück. Doch in Mathieus Geschichte sind die Geschlechterverhältnisse derart verhärtet und in konventionellen Mustern verhaftet, dass eine Wende zum Guten unmöglich scheint.
Buch
Nicolas Mathieu
Rose Royal
Aus dem Französischen von Lena Müller und André Hansen
96 Seiten
(Hanser 2020)