Manchmal entspinnt sich zwischen zwei Fremden im Zug ein anregendes Gespräch, sofern nicht beide auf ihr Handy starren. So ergeht es dem Autor Eduard Brünhofer und der jüngeren Psycho- und Physiotherapeutin Catrin Meyr auf der Fahrt von Wien nach München in Daniel Glattauers Roman «In einem Zug». Die beiden sitzen im selben Abteil, und es entspinnt sich ein Gespräch, das schnell bei Themen landet, die weit über den Smalltalk hinausgehen – bei Liebe, Leidenschaft und Sex.
Während Eduard die Vorteile seiner langen Ehe mit Gina herausstreicht, ist Catrin eine Verfechterin von Kurzzeitbeziehungen. Hartnäckig und zunehmend indiskret hakt sie bei Eduard nach, der als Bestsellerautor von Liebesromanen eigentlich der Experte sein müsste. Nur steckt er seit 13 Jahren in einem Schreibstau und hat keine Lust mehr, über die Liebe zu reden, geschweige denn über die Leidenschaft …
Daniel Glattauer, der 2006 mit seinem E-Mail-Liebesroman «Gut gegen Nordwind» bekannt wurde, hat sein Flair für gewitzte Dialoge schon mehrfach unter Beweis gestellt. Etwa in seinem letzten Roman «Die spürst du nicht» (2023), der durch satirische Gesellschaftskritik überzeugte.
Wie ein Zug, der im Nirgendwo stecken bleibt
Das Gespräch, nur unterbrochen von Gedankeneinschüben seines Protagonisten, bildet auch im neuen Roman den Kern. Zuweilen ist das witzig und unterhaltsam – besonders dann, wenn Glattauer die Diskrepanz zwischen dem Gesagten und dem Gedachten deutlich macht.
Oft wirkt das Gespräch aber auch bemüht und langatmig. Überraschende Einsichten über die Liebe gibt es wenige, auch wenn Therapeutin Catrin alle Register zieht und Wein und Sekt aus dem Zugbistro Eduards Mundwerk lockern. Wie schafft man es, dass die Leidenschaft in einer Langzeitbeziehung nicht einschläft? Ist das Schreiben einer Sexszene schon ein Verrat an der Partnerin, wenn man dabei an jemand anderen denkt? Ist Freiheit oder Sicherheit in einer Partnerschaft wichtiger – und schliesst das eine das andere aus?
Durchaus provokative Fragen, und dennoch dümpelt das Gespräch vor sich hin, wie ein Zug, der im Nirgendwo stecken bleibt. Und so ist man froh, wenn die Bahn in München einfährt. Dort erwartet die Leser dann noch eine mehr oder weniger überraschende Wendung zum Schluss.
Buch
Daniel Glattauer
In einem Zug
208 Seiten
(Dumont 2025)