Die Geschichte, die Tayari Jones erzählt, scheint zunächst altbekannt. Wir befinden uns in den USA der Gegenwart. Roy, ein junger schwarzer Mann, wird zu Unrecht wegen Vergewaltigung verurteilt. Die Jury ist mehrheitlich weiss. «Was mir passiert ist, könnte jedem passieren», sagt er. «Meinst du, das wüsste ich nicht?», antwortet sein Gegenüber. «Ich bin schon mein ganzes Leben schwarz.»
Doch Tayari Jones’ Roman «In guten wie in schlechten Tagen» konzentriert sich nicht auf ein Justizdrama oder die rassistische Gesellschaft – vielmehr werden Lebensfragen behandelt: die gescheiterte Hoffnung auf eine romantische Liebe und die Kinderfrage, die jedes Paar beschäftigt. Der grösste Teil der Geschichte wird durch die Briefe erzählt, die sich Roy und seine Partnerin Celestial während seiner Inhaftierung schreiben. Ein emotionales Geflecht, durch das Jones verschiedene Perspektiven auf die Wut und Trauer einbringt. Die Brutalität der Ungerechtigkeit dringt durch jede Zeile.
Das Drama der Geschichte zwischen Roy und Celestial liegt im Alltäglichen: «Wenn meine Kindheit ein Sandwich wäre, dann würde kein Fleisch über den Brotrand hängen. Wir hatten, was wir brauchten, nicht mehr», sagt Roy, der sich zu einem Vertreter für einen Buchverlag hocharbeitet.
Unschuldig im Gefängnis
Zum Zeitpunkt, als ein «Meteor unser Leben zerstörte», hatte er alles erreicht, was er sich gewünscht hatte: «eine Stelle, die mehr als die Fixkosten abdeckte, ein Haus mit vier Schlafzimmern und einem grossen Rasen, den ich sonntags eigenhändig mähte, und eine Frau, an der ich mich aufrichten konnte wie an einem Gebet». Doch nach nur 18 Monaten Ehe wird Roy unschuldig zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.
«Wenn es nicht so läuft, wie wir hoffen», sagt Roy kurz vor dem Prozess zu seiner Frau, «dann will ich nicht, dass du auf mich wartest.» Die Künstlerin versichert ihm: «Niemand wird irgendetwas wegwerfen.» Doch sie trennt sich von ihm: «Ich habe mir jetzt drei Jahre lang die grösste Mühe gegeben, verheiratet zu sein, ohne wirklich eine Ehefrau zu sein», schreibt sie ihm. Ihr Mann wirft ihr daraufhin vor: «Verlass einen Bruder, wenn er am Boden liegt. Ich hätte nie gedacht, dass du zu dieser Art Menschen gehörst.» Als er nach fünf Jahren vorzeitig entlassen wird, hat sie einen neuen Partner. «Womit hat Roy das verdient? Er hat nichts getan, ausser zur falschen Zeit am falschen Ort ein schwarzer Mann zu sein», redet der Vater Celestial ins Gewissen.
«In guten wie in schlechten Tagen» ist der vierte Roman der 1970 in Atlanta geborenen Jones, der erste aber, der ins Deutsche übersetzt wurde. In den USA erschien das Buch unter dem Titel «An American Marriage». Der frühere US-Präsident Barack Obama zählt es zu seinen Lieblingswerken: Es sei eine «bewegende Schilderung der Auswirkungen, die eine ungerechtfertigte Verurteilung auf ein junges afroamerikanisches Paar hat». US-Talkkönigin Oprah Winfrey soll über eine Verfilmung nachdenken. Das Thema jedenfalls wird an Aktualität nicht einbüssen.
Buch
Tayari Jones
In guten wie in schlechten Tagen
Aus dem Englischen von B. Somann-Jung
352 Seiten
(Arche 2019)