Eine Meeresforscherin, ein Poet, ein Computernerd und eine Künstlerin, die aus Meeresmaterialien Skulpturen formt: Diese vier Figuren verbindet Richard Powers in seinem Roman zu einer bewegenden Geschichte über das Verhältnis von Mensch, Natur und Technologie. Mit der Leidenschaft, mit der die Protagonisten Evie, Rafi, Todd und Ina ihren Tätigkeiten nachgehen, beschreibt Powers auch die faszinierenden Meereswelten.
Durch seine poetischen Beschreibungen lässt er über die Wunder der Natur staunen – und die Zerstörungswut der Menschen. Auf den mehr als 500 Seiten verwebt Richard Powers, der für seine Werke unter anderem mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, die vier Protagonisten, die unterschiedlichen Erzählstränge und Zeitebenen kunstvoll zu einem grossen Ganzen.
Fortschritt oder Rückkehr zur Natur?
Unter anderem siedelt er seinen Roman auf der französisch-polynesischen Koralleninsel Makatea im Pazifik an, wo nur noch 82 Menschen leben. Jahrzehntelanger Phosphatabbau hat die Natur zerstört und eine karge Mondlandschaft geformt, die sich aber langsam wieder erholt. Im Jahr 2027, in dem die Haupthandlung des Romans spielt, wollen US-amerikanische Investoren hier ihr Projekt «Sea-steading» realisieren: eine künstliche, schwimmende Stadt ohne staatliche Kontrolle, ohne Bürokratie und ohne Steuern – der Wunschtraum aller Tech-Milliardäre.
Die wenigen Einwohnerinnen und Einwohner von Makatea stehen nun vor einer folgenschweren Abstimmung: Sollen sie sich dem Fortschritt verschreiben, was neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand verspricht, oder soll die Insel
zu ihrem paradiesischen Zustand mit intakter Natur zurückfinden?
In die Tiefen des Meeres abtauchen
Der grosse Gegensatz zwischen Natur und (digitaler) Technologie ist im Roman immer wieder spürbar. Einerseits taucht man mit der inzwischen 92-jährigen Ozeanologin Evie in die Tiefen des Pazifiks ab und entdeckt mit ihr die schillernde Schönheit von Rochen, Meeresschildkröten oder Tintenfischen.
Oder sucht mit der Bildhauerin Ina und ihrem Mann, dem Schriftsteller und Humanisten Rafi, an den Stränden von Makatea nach Material für Kunstwerke – findet aber vor allem angeschwemmten Plastikmüll. Andererseits begleitet
man den Multimilliardär und Informatikpionier Todd, der mit 57 Jahren erste Symptome der sogenannten Lewy-Körper-Demenz spürt. Sein visionäres Projekt auf Makatea will er noch umsetzen, bevor die geistige Umnachtung eintritt.
Kapitalismus, künstliche Intelligenz, Klimawandel
Der 67-jährige Richard Powers wollte früher selbst Meeresbiologe werden, hat dann aber Physik und Literaturwissenschaft studiert und als Programmierer gearbeitet. Im 14. Roman «Das grosse Spiel» vereint er all diese Interessen und bringt die grossen Fragen der Menschheit in Zeiten von Kapitalismus, Klimawandel und künstlicher Intelligenz in einem poetischen und vielschichtigen Werk zusammen. Lesen und abtauchen lohnt sich!
Buch
Richard Powers
Das grosse Spiel
Aus dem US-Amerikanischen von Eva Bonné
512 Seiten
(Penguin 2024)