Roman: Die Fallenstellerin
Mit ihrem neuen Thriller «Niemand hat Angst vor Leuten, die lächeln» führt Véronique Ovaldé lustvoll auf falsche Fährten.
Inhalt
Kulturtipp 09/2021
Babina Cathomen
Von Anfang an fiebert man mit der taffen Gloria und ihren Töchtern Stella und Loulou mit: Denn die alleinerziehende Mutter ist mit den beiden auf der Flucht von der Côte d’Azur in ein abgelegenes Haus im Elsass – im Gepäck hat sie die Pistole ihres verstorbenen Geliebten. Vor wem und wovor sie flüchtet, ist lange unklar, zwischen den Zeilen ist aber stets eine unbestimmte Anspannung und Bedrohung spürbar.
Wer ist das Opfer und wer der T&...
Von Anfang an fiebert man mit der taffen Gloria und ihren Töchtern Stella und Loulou mit: Denn die alleinerziehende Mutter ist mit den beiden auf der Flucht von der Côte d’Azur in ein abgelegenes Haus im Elsass – im Gepäck hat sie die Pistole ihres verstorbenen Geliebten. Vor wem und wovor sie flüchtet, ist lange unklar, zwischen den Zeilen ist aber stets eine unbestimmte Anspannung und Bedrohung spürbar.
Wer ist das Opfer und wer der Täter?
In Rückblenden beleuchtet Véronique Ovaldé in ihrem Roman das Leben ihrer Protagonistin: Nachdem Gloria als Siebenjährige von der Mutter verlassen wurde und ihr Vater gestorben ist, will sie sich an niemanden mehr binden. Trotzdem wurde ihr Leben bestimmt von Männern, die sich als ihre Beschützer hervortaten: Samuel, ein charmanter Kleinkrimineller und Vater ihrer Kinder, der wohlmeinende Onkel Gio und der windige Anwalt Santini. Seit Samuel bei einem mysteriösen Brand starb, schlägt sich Gloria alleine durch. Ihre Teenager-Tochter Stella und die kleine Loulou will sie von allem Übel der Welt fernhalten – und greift dabei auch zu drastischen Methoden …
Die 49-jährige französische Schriftstellerin erzählt Glorias Geschichte spannungs- und temporeich, mit trockenem Humor und im steten Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Geschickt legt sie falsche Fährten, wendet sich auch mal direkt mit Warnungen an die Leser und verwischt so immer mehr die vermeintlich festgelegten Rollen von Opfer und Täter. Und so entpuppt sich ihr Roman als Thriller und Emanzipationsgeschichte in einem. Er wirft Fragen zu Machtverhältnissen sowie zur Rolle von Müttern auf. «Ein Lächeln genügt, und alle glauben, du bist harmlos», weiss schon Glorias 15-jährige Tochter Stella. Was hinter Glorias Lächeln steckt, zeigt sich erst beim unerwarteten Finale.
Buch
Véronique Ovaldé
Niemand hat Angst vor Leuten, die lächeln
224 Seiten
(Frankfurter Verlagsanstalt 2021)