«Haben Sie vergessen, dass Guatemala ein souveränes Land ist und Sie nur ein Botschafter sind, kein Vizekönig und kein Statthalter?», fragt Präsident Jacobo Árbenz den Entsandten der USA. Die Antwort des US-Diplomaten: schallendes Gelächter.
Das ist eine Szene aus Mario Vargas Llosas Roman: Im Mittelpunkt steht der Militärputsch von 1954 in Guatemala, orchestriert von der CIA auf Gutheissen des US-Präsidenten Eisenhower. Der Autor macht die Leser zu Zeitzeugen von Schlüsselmomenten der Geschichte Guatemalas und lässt erahnen, warum der demokratische Wandel in ganz Lateinamerika ins Stocken geriet. Akribisch bildet er den Putsch nach und schildert die Jahre davor und danach.
Putsch mit paradoxen Folgen
Der 1951 ins Präsidentenamt gewählte Jacobo Árbenz hatte einen Traum: Er wollte das Land mittels einer umfassenden Agrarreform in eine moderne Demokratie führen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Krake, der Spitzname der US-United-Fruit Company (heute Chiquita), ihre Tentakel bereits über ganz Mittelamerika ausgebreitet. Wegen der Reform befürchtete der Konzern finanzielle Einbussen. Um sich Árbenz zu entledigen und die Agrarreform zu verhindern, verbreitete die Krake die Lüge, Guatemala sei ein kommunistischer Satellitenstaat der sowjetischen Regierung. In Zeiten des Kalten Krieges eine wahre Bedrohung für die USA.
Der Sieg, den die USA durch den Sturz des Präsidenten Árbenz davontrugen, war kontraproduktiv: Die Einmischung förderte den Missmut Lateinamerikas gegenüber den USA und stärkte den Kommunismus. «Der Putsch hatte schwerwiegende Folgen für Lateinamerika», erklärte der Autor im Interview mit dem NDR. «Viele junge Leute wie ich haben damals gesagt: ‹Die USA werden es nie erlauben, dass die Demokratie nach Lateinamerika kommt. Was machen wir dann? Na, dem Beispiel Kubas folgen›.»
Auf den gestürzten Präsidenten folgte Carlos Castillos Armas, der militärische Anführer des Putschs, der 1957 ermordet wurde. Seine Geliebte, Marta Parra, flüchtete nach El Salvador. Und es kam der Verdacht auf, dass Marta für die CIA arbeitete. Der Autor besuchte die heute über 80-Jährige und verarbeitete das Treffen in seinem Roman in einer Art Epilog.
Ein rasanter Politthriller entspinnt sich
Der Roman verlangt den Lesern viel Konzentration ab, da die Geschichte nicht chronologisch erzählt wird. Auch die zahlreichen geschichtsrelevanten Charaktere gilt es, schrittweise einzuordnen, was den Einstieg erschwert. Doch mit jedem Kapitel gewinnt die Handlung an Fahrt, und das Buch entwickelt sich zum rasanten Politthriller.
Der Roman lebt von den genau beschriebenen Charakterzügen und Gedankengängen der Protagonisten – ihr Tun wird greifbar. Am Ende bleibt das Erstaunen, wie mit einer clever platzierten Lüge das Schicksal eines aufstrebenden Kontinents entscheidend verändert und die demokratische Entwicklung über Generationen hinweg ins Abseits befördert wurde.
Buch
Mario Vargas Llosa
Harte Jahre
Aus dem Spanischen von Thomas Brovot
408 Seiten
(Suhrkamp 2020)