Roman: Bis das Hirn zu sieden beginnt
Lisa Eckhart hat als wortgewaltige Kabarettistin Skandale provoziert. Auch ihr Debütroman «Omama» blieb manchen Kritikern im Hals stecken. Muss man dieses Buch lesen?
Inhalt
Kulturtipp 02/2021
Frank von Niederhäusern
Vom legendären Wiener Schauspieler Helmut Qualtinger gibt es eine Nummer, in der er einen Tiroler spielt, der die Erhabenheit der Berge preist. Dabei steigert er sich derart in die Klangkraft seines Dialekts, dass kaum mehr ein Wort zu verstehen ist. Ähnliche Stellen gibt es in «Omama», dem ersten Roman der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart. Ihre dialektalen Varianten beginnen harmlos bei «Weiberln» und «Enkerln», steigern sich zur ...
Vom legendären Wiener Schauspieler Helmut Qualtinger gibt es eine Nummer, in der er einen Tiroler spielt, der die Erhabenheit der Berge preist. Dabei steigert er sich derart in die Klangkraft seines Dialekts, dass kaum mehr ein Wort zu verstehen ist. Ähnliche Stellen gibt es in «Omama», dem ersten Roman der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart. Ihre dialektalen Varianten beginnen harmlos bei «Weiberln» und «Enkerln», steigern sich zur «schiachn Oidn» bis hin zur «verwordagelten Trutschn». Wer solcherlei Sprachexotik mag und mithin auch gewisse Verständnislücken in Kauf zu nehmen bereit ist, wird «Omama» verschlingen.
Denn nicht nur Eckharts Wortwahl ist funkelnd opulent, das Erzählte an sich strotzt vor barocker Deftigkeit. Wie der Titel erahnen lässt, erzählt sie von einer Grossmutter, die sehr wohl ihre eigene sein könnte, wie die Autorin zwischen den Zeilen durchscheinen lässt. Als Mädchen Helga erlebt die spätere «Omama» die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs. In den 1950er-Jahren arbeitet sie als Köchin in der ländlichen Steiermark. Zum Ausklang des Jahrhunderts dann zelebriert sie ein fideles Rentnerinnenleben. Es geht zünftig zu und her. Grossmutter schlawinert und gaunert sich durch die österreichische Nachkriegsgeschichte wie eine weibliche Adaption des Till Eulenspiegel. Eckharts barocker Erzählstil erinnert an wilde Schelmenromane. Als Schweizer Leser glaubt man sich zuweilen in Gerold Späths «Unschlecht», wobei aus der Sprachorgie kristallklar geschliffene Sätze herausstechen.
Reihenweise diabolische Diagnosen
Und hier begegnet Erzählerin Lisa Eckhart der Kabarettistin, deren Pointen in derart ausgefeilten Sprachbildern kulminieren, dass den Lesern das Hirn zu sieden beginnt. In «Omama» legt sie das bis heute taumelnde Nachkriegs-Österreich auf ihre soziopoetische Analysecouch und kommt zu reihenweise diabolischen Diagnosen. «Städter sehen die Leute vom Land nicht als ihre Landsleute an», schreibt sie etwa. «Da ist ihnen sogar der Ausländer lieber, der aus einem fremden Land kommt. Den kann man eher zivilisieren als einen Inländer vom Land.» Solche Sätze haben der Kabarettistin Lisa Eckhart Probleme bereitet. Sie wurde etwa von der deutschen Rechtsaussen-Partei AfD vereinnahmt und – im Gegenzug – von Autoren-Kollege Maxim Biller als verkappter Neonazi gebrandmarkt.
Nichts für empfindsame Seelen
Wer «Omama» gelesen hat, weiss, wie abstrus und hilflos beiderlei Reaktionen sind. Eckhart ist eine blitzgescheite Wortakrobatin, deren Virtuosität und Rasanz das Publikum verwirren können. Zumal sie Unangenehmes auf den Punkt bringt. Von Menschenverachtung jedwelcher Art aber ist die 28-jährige Österreicherin weit entfernt.
«Omama» ist ein Lesespass der exquisit-expliziten Art. Nichts für empfindsame Seelen oder solche mit Hang zur Prüderie. Das Lesen erfordert Fantasie und Ausdauer. Der Roman ist zu lange geraten, ein lapidares Glossar wäre hilfreich. Nach dem mehrfach fulminanten Schluss klappt man das Buch zu: erschöpft, aber mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Buch
Lisa Eckhart
Omama
384 Seiten
(Zsolnay 2020)