Der Ich-Erzähler in Thomas Duartes Debütroman arbeitet seit 25 Jahren bei einer Stiftung. Sinn und Zweck dieser Einrichtung scheinen sich darin zu erschöpfen, das Vermögen des Vereins um jeden Preis unter die dubiosen Antragsteller zu bringen. Die Gesuche der Antragsteller sind im Roman kursiv in den Text eingebaut und stammen von einem undurchsichtigen Tankstellenbesitzer oder von einer windigen Dachdeckerin. Die Aufgabe des Erzählers: die Gesuche stoisch ablegen und Buch führen darüber, Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt.
Die Leser treffen den Erzähler aber nicht in seinem Büro, wo er auch haust, sondern mitten in der Nacht auf einem Polizeiposten: «Die Polizei hat mich aufgefordert, darüber Bericht zu erstatten, warum ich meine Putzfrau in meinem Büro untergebracht hatte.» Mit diesen Worten setzt der Roman ein. Es folgt ein Rechenschaftsbericht darüber, warum er seine Putzfrau an die Polizei verpfiffen hat.
Der Erzähler parliert, präzisiert und verwedelt
Verschiedene Zeitebenen überlagern sich: unter anderem die Rahmenhandlung in der Polizeiwache, Szenen vom Arbeitsplatz des Erzählers und Berichte von seiner Affäre mit der Putzfrau, die Sans-Papier ist und bei jedem kleinsten Fehler ausgeschafft werden könnte. Der Erzähler parliert, präzisiert und verwedelt, reiht auf mancher Seite mehr «oder» aneinander, als es bekömmlich ist. Der Text untergräbt sich immer wieder selbst, und oft sind es nur die gezielten Nachfragen des Polizisten, die zurück zu dem führen, «was der Fall ist», wie der Titel lautet.
Etwas, von dem jemand sagt, «dass es der Fall ist», geht einher mit einem Anspruch auf Wahrheit. Daneben ist «der Fall» aber auch das, was auf einen Sturz folgt. Auf welchem Boden landet man, nachdem man den Boden unter den Füssen verloren hat und aus allen vertrauten Zusammenhängen und Umfeldern gefallen ist? Diese Frage wirft der Roman des in Bern lebenden Basler Autors auf, der mit seinem Debüt für den Schweizer Buchpreis nominiert war.
Eine gewisse Ironie ist durchaus spürbar
Was als Kurztext seinen Reiz hätte, besteht hier aus 300 Seiten und Phrasen wie: «Ich kaufte mir ein Notizheft und begann selbst damit, Sachen aufzuschreiben, die mir einfielen und die ich dann im richtigen Moment würde äussern können, aber immer blieben meine Äusserungen im Ungewissen, Ungefähren oder Vorläufigen stecken.» Oder: «Der Polizist kam mit einem Kaffee und noch einem Wurstende zurück. Vermutlich war es das andere Ende der Wurst von vorhin. Aber was hatte er mit dem Stück dazwischen gemacht?»
Eine solche Passage lässt eine gewisse Ironie und etwa Stephan Remmlers «Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei» anklingen. Das ist ein schöner musikalischer Reiz, tröstet aber nicht darüber hinweg, dass dieses Buch seine Längen hat. Weniger wäre deutlich mehr gewesen.
Thomas Duarte
Was der Fall ist
301 Seiten
(Lenos 2021)