Mit feuchten Augen bekennt der ältere Jack Nicholson in der Filmdokumentation «Corman’s World» (2011): «Er ist der Lebenssaft für alles, was ich heute als Mensch bin.» Er selber verdanke dem 90-jährigen Corman (fast) alles. Selbstironisch merkt Nicholson an: «Zufällig hat Corman ab und zu mal einen guten Film gemacht – aber ich war nie dabei.»
Horror- und Actionfilme
Zwischen 1953 und 2008 hat Roger Corman 385 Filme produziert und bei 55 Werken Regie geführt. Der Mann, der nie eine Filmschule besuchte, war mehr als ein halbes Jahrhundert produktiv und kreativ – und er förderte junge Talente. Alle haben bei Roger Corman angefangen, er hat ihnen als Mentor die Grundlagen bereitet für eine spätere Hollywood-Karriere, Schauspieler wie Regisseure: Neben Jack Nicholson auch Peter Fonda, Dennis Hopper, Martin Scorsese oder Robert De Niro.
Corman, aus Detroit stammend, war ursprünglich Ingenieur, hielt es aber nur gerade vier Tage auf dem Beruf aus. Lieber wollte er ins Filmgeschäft nach Hollywood wechseln. 1953 war es so weit: Corman begann seine Karriere als Produzent und Autor, bald auch als Regisseur. Sein Produktionsgeheimnis war, mit einer Crew, die für einen Film bereits bezahlt war, gleich einen zweiten Film zu drehen. Schnell, günstig und immer gewinnbringend – das war Cormans Devise. Seine bevorzugten Filmgattungen: Horror, Science-Fiction, Action.
Drehbuch über Nacht
Ein schönes Beispiel für Cormans effizientes Vorgehen bildet der Film «The Raven». Nachdem die Produktion in nur 16 Tagen abgedreht war, blieben drei Tage übrig. Das Dekor stand kostenlos zur Verfügung, quasi über Nacht wurde ein Drehbuch verfasst, von der vorherigen Produktion spielten Jack Nicholson und Boris Karloff gleich wieder mit. Die Regie für die Schauergeschichte «The Terror» teilte man sich untereinander auf – Corman, Francis Ford Coppola, Jack Hill oder Jack Nicholson standen abwechselnd hinter der Kamera.
Corman verfügt persönlich über einen erlesenen Filmgeschmack. Das bewies er, als seine Firma als Verleiher auftrat, um ihm am Herzen liegende Werke in den USA zu verbreiten: künstlerisch wertvolle Autorenfilme von Ingmar Bergman, Federico Fellini, François Truffaut oder Akira Kurosawa.
Ehre in Locarno
Locarno zeigt zu Cormans Ehren zwei Klassiker. «The Intruder» (1962) ist ein Ausnahmewerk in Cormans Œuvre: Der Schwarz-Weiss-Film mit dem debütierenden Schauspieler William Shatner handelt kritisch von der Rassentrennung im Süden der USA. Corman befand: «Unser bester Film überhaupt, aber der einzige, der keinen Gewinn brachte.» Bei «Masque Of The Red Death» (1964) handelt es sich um eine Literaturadaption nach Edgar Allan Poe. In Locarno hält Roger Corman zudem eine öffentliche «Masterclass», in der er aus dem Wirken eines erfolgreichen Filmmenschen berichtet.
Internationales Filmfestival Locarno
Mi, 3.8.–Sa, 13.8.
www.pardolive.ch