Roddy Doyle Von Herren und Hunden
Roddy Doyle seziert in seinen acht Erzählungen «Typisch irisch» den Chauvinismus seiner Landsleute gegenüber Einwanderern.
Inhalt
Kulturtipp 10/2011
Letzte Aktualisierung:
11.03.2013
Rolf Hürzeler
Dieses Buch ist veraltet, bevor es auf Deutsch erschienen ist. Trotzdem ist es topaktuell. «Irland ist eines der reichsten Länder Europas geworden», schrieb Roddy Doyle im Dezember 2006 im englischen Vorwort und erinnert daran, dass die «Iren früher die Nigger Europas» waren. Das sind sie zwar heute nicht mehr, aber das Land ist nach der Finanzkrise wieder zum europäischen Armutsstall verkommen. Dennoch bleibt Doyles Thema aktuell: Wie gehen die «e...
Dieses Buch ist veraltet, bevor es auf Deutsch erschienen ist. Trotzdem ist es topaktuell. «Irland ist eines der reichsten Länder Europas geworden», schrieb Roddy Doyle im Dezember 2006 im englischen Vorwort und erinnert daran, dass die «Iren früher die Nigger Europas» waren. Das sind sie zwar heute nicht mehr, aber das Land ist nach der Finanzkrise wieder zum europäischen Armutsstall verkommen. Dennoch bleibt Doyles Thema aktuell: Wie gehen die «ehemaligen Nigger» mit ausländischen Immigranten um? Was gibt es Spannenderes als den Umgang mit Unterhunden von Herren, die einst selbst Unterhunde waren?
Zum Beispiel Joseph, ein ehemaliger Kindersoldat. Er kommt neu in eine irische Schulklasse, versucht, sich einzuleben, spürt aber, dass er nie so sein wird wie die andern: «Wie sehen irische Kinder aus? Wie diese Hazel O’Hara? Joseph ist sich nicht sicher. Hazels Haare sind fast weiss. Ihre Haut ist jetzt ganz rosarot, sie ist sehr zufrieden mit sich…» Man ahnt, dass Josephs Kampf um Anerkennung chancenlos ist. Oder jedenfalls fast.
Genial die Geschichte «Black Hoodies Solutions» von zwei weissen Brüdern im Teenageralter und einer Nigerianerin. Sie klauen in Lebensmittelläden nach einem einfachen Prinzip: Der eine Weisse behändigt als Rollstuhlfahrer die Ware, während die Sicherheitsleute hinter den andern beiden her sind, weil das Mädchen schwarz und somit verdächtig ist. Später bringen sie das Zeug dem Laden-Management zurück und kassieren Belohnung. Die Geschäftsidee ist bestechend: «Die irische Wirtschaft kann nur staunen.»
Doyle ist in einer protestantischen Familie bei Dublin aufgewachsen. Er arbeitete als Englischlehrer und war daneben als Schriftsteller tätig. «Ich nähere mich meinen Figuren, weil ich sie gern habe und Mitleid für sie empfinde. Ich suche nach den Worten, die ich brauchen würde, um meinen Schmerz mitzuteilen.» Mit diesen Worten erklärt Doyle im persönlichen Gespräch sein Verhältnis zu den Zukurzgekommenen. Er nahm stets deren Sichtweise ein und verlieh ihnen eine Stimme. Zuerst den Iren selbst, jetzt den Immigranten. Und wer weiss, vielleicht schon bald wieder den Iren, die unter der Rezession leiden.
[Buch]
Roddy Doyle
Typisch irisch
Erzählungen
288 Seiten
(Hanser Verlag 2011).
[/Buch]