«RIEN A DECLARER» Von realen und mentalen Grenzen
Verfeindete Zöllner sollen wegen «Maastricht» urplötzlich freundschaftlich kooperieren. Das gibt Anlass für viel Komik im Film von Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Dany Boon.
Inhalt
Kulturtipp 12/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Noch ist es nicht so weit, dass alle Schranken fallen. Aber die Zeiten werden sich ändern. Hüben die Franzosen, drüben die Belgier. Zöllner am Grenzposten mitten im Städtchen Courquain/Koorkin. Alles geht seinen gemächlichen Gang, doch am politisch-wirtschaftlichen Horizont ziehen allmählich dunkle Wolken auf. «Adieu la douane» heisst eine Schlagzeile in der Zeitung. Gemäss Einigung von zwölf europäischen Ländern tritt fü...
Noch ist es nicht so weit, dass alle Schranken fallen. Aber die Zeiten werden sich ändern. Hüben die Franzosen, drüben die Belgier. Zöllner am Grenzposten mitten im Städtchen Courquain/Koorkin. Alles geht seinen gemächlichen Gang, doch am politisch-wirtschaftlichen Horizont ziehen allmählich dunkle Wolken auf. «Adieu la douane» heisst eine Schlagzeile in der Zeitung. Gemäss Einigung von zwölf europäischen Ländern tritt für sie der «Maastricht-Vertrag» in Kraft. Der europäische Binnenmarkt entsteht, die stationären Grenzkontrollen werden aufgehoben. Gültig ab 1. Januar 1993. Ob es für alle ein «Bonne Année» geben wird, wie das Transparent über der Strasse wünscht?
Kein Bienvenue
Durch das, was auf sie alle zukommen wird, sind die Zöllner beider Lager aufgeschreckt. Die Franzosen planen zu streiken, wissen aber nicht wie. Der gottesfürchtige belgische Katholik Ruben Vandevoorde (Benoît Poelvoord), der im Dienst gerne Franzosen schikaniert und auch mal aufbrausend reagiert, betet gegen die EU. Sein ausgeprägtester Charakterzug: Frankophobie mit Tendenz zu rassistischen Ausfällen inklusive Gewaltbereitschaft (Stichwort «Ausraster»). Zum Glück ist er katholisch, wie sich Jahre später bei der heilsamen Beicht-Empfehlung durch den Priester zeigen wird. Aber vorderhand gilt bei ihm: Kein Bienvenue chez les Belges.
Auf der anderen, französischen Seite: Mathias Ducatel (Dany Boon), der – noch weiss der Bruder nichts davon – ausgerechnet mit Rubens Schwester Louise (Julie Bernard) eine auch mal kriselnde Liebesbeziehung pflegt. Und genau mit diesem ehemaligen «Feind» muss Ruben künftig zusammenspannen in der Pilotphase zur mobilen Zollstreife. Die Schmuggler (bevorzugt im Bereich des Drogenwesens) frohlocken freilich angesichts der neuen Grenzlage. Jetzt können sie fast unbehelligt über Land fahren und müssen nicht mehr die Gefahr zu gewärtigen haben, dass – bei «Ambulance» geht aus Analphabetie-Gründen das u vergessen – ein fehlerhaft angeschriebener falscher Krankenwagen voller heisser Ware enttarnt wird und nach einer Verfolgungsjagd seiner wertvollen Fracht verlustig geht. Angesichts des Zollstellenabbaus können sie sich die Hände reiben und ins Fäustchen lachen.
Amüsant-humorig
«Rien à déclarer» will Versöhnliches bieten, und tatsächlich, mit etwas Hilfe der katholischen Kirche und auch dank eines talentierten Automechanikers, finden Ruben und Mathias schliesslich zueinander. Die Botschaft ist klar deklariert: Gebt Vorurteilen keine Chance, und wenn die mentalen Grenzen überwunden sind, kehren Friede und Freundschaft ein.
Nach «Bienvenue chez le Ch’tis» zum innerfranzösischen Nord-Süd-Konflikt hat auch der Nachfolgefilm «Rien à déclarer» von und mit Dany Boon in Frankreich bereits zünftig eingeschlagen: Mehr als zehn Millionen Menschen haben ihn schon sehen wollen, den französisch-belgischen «Clash of Civilisations» auf amüsant-humorige Art. Der Weg geht für den Erfolgsfilmer Boon vom Pöstler zum Zöllner – diesmal mit mehr Action, angereichert durch viel Komik, die vielleicht eine Spur zu stark zum Klamaukigen tendiert.