Attraktiv, etwas verträumt, très charmant – Richard Dubugnon zieht in den Bann. Nicht nur wegen seiner dunklen Locken, es ist vielmehr die Leidenschaft, die in den Augen des welschen Komponisten brennt, wenn er über die Musik redet. Und diese war schon früh Teil seines Lebens. Als Kind eines Jazzmusikers bekam er Klavierunterricht, brachte es aber nicht weit. Stattdessen hatte er Freude an musikalischen Spielen und Systemen, die er sich ausdachte. «Ich hätte mich damals nie getraut, die Musik zum Beruf zu machen und davon zu leben», erinnert sich Dubugnon, der in Lausanne geboren und aufgewachsen ist. So begann er nach der Schule, Geschichte zu studieren.
Geschichten voller Farben und Emotionen
Doch die Liebe zur Musik war stärker – parallel zum Studium nahm er Harmonie- und Kompositionslehre, lernte Kontrabass und konzentrierte sich schliesslich nur noch auf die Musik. «Ich begriff, dass ich unbedingt komponieren wollte. In der Musik fand ich am besten Ausdruck.» Nach zwei Jahren Kompositions- und vier Jahren Kontrabass-Studium wurde er am Pariser Konservatorium für Musik angenommen und absolvierte einen Master in Komposition an der Royal Academy of Music in London. Seither hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewonnen.
Dubugnon erinnert sich noch gut an das erste Mal, als ein Stück von ihm öffentlich aufgeführt wurde: «Ich war wahnsinnig nervös und wurde jedes Mal wütend, wenn ein Musiker einen Fehler machte, ich konnte sehr unfair sein. Das tut mir heute leid.»
Er, der neben Bach und Mozart zu Hause die Bee Gees hört, schreibt harmonische und rhythmische Musik. Sie erzählt Geschichten voller Farben und Emotionen und wird daher oft mit Filmmusik verglichen. «Meine Musik ist auf ihre Art sehr schweizerisch: Sie vereint die Feinheit der Franzosen, die Struktur und Romantik der Deutschen sowie die Leidenschaft der italienischen Oper. Aber ich habe auch eine russische ‹folie› in mir», gesteht Dubugnon, der mittlerweile in Frankreich lebt.
Die Inspiration von der Natur
Komponieren tut er am liebsten auf dem Land und in den Bergen. Die Klänge der Natur, Kinderlachen oder ein vorbeifliegender Heli regen seine Ideen an. Seit er zwei kleine Töchter hat, ist er allerdings weniger wählerisch: «Ich versuche, jeden Moment der Konzentration zu nutzen. Mittlerweile komponiere ich sogar im Zug und im Flugzeug.» Die Quellen seiner Inspiration variieren je nach Projekt: «Manchmal sind es die Musiker, für die ich etwas schreibe. Etwa die Geigerin Janine Janssen oder die französischen Klavier-Schwestern Katia und Marielle Labèque.» Es könne auch eine Stadt sein oder ein Spiel, ein Bild: «Tief im Inneren höre ich die Melodie dazu, nicht das gesamte Stück, aber die grossen Themen, die Hauptmotive.»
In der Saison 2016/17 ist Richard Dubugnon Composer in Residence am Musikkollegium Winterthur. Er freut sich darauf, intensiv mit den Musikern arbeiten zu dürfen. «Mit den meisten von ihnen bin ich gut befreundet und fühle mich willkommen wie ein Star», schwärmt er. Mit Thomas Zehetmair, dem neuen Chefdirigenten in Winterthur, hat er bis jetzt noch nicht gearbeitet: «Wir werden aber sicher einmal etwas zusammen machen, er hat angedeutet, dass er gerne meine Musik dirigieren würde», sagt Dubugnon.
«Die Freiheit ist das Schönste»
Eigens für das Musikkollegium hat er eine Kammersinfonie und ein Violinkonzert geschrieben, die 2017 uraufgeführt werden. Eine aussergewöhnliche Konzerterfahrung verspricht sein Orchesterwerk «Das Schlüsselspiel», welches Tochter Liza gewidmet ist: Die Zuschauer müssen sieben Notenschlüssel finden, um die Musiker zu befreien und das Schloss der Musik zu öffnen. In Winterthur wird erstmals die deutschsprachige Fassung zu hören sein.
Was die Zukunft der klassischen Musik angeht, ist Dubugnon zuversichtlich: «Zum Glück gibt es nicht mehr die eine offizielle ‹Avantgarde›, sondern ganz viele verschiedene Richtungen neuer Klassik, da ist für jeden Geschmack etwas dabei.» Auch wenn es manchmal schwerfalle, sich als freischaffender Komponist zu organisieren und die tägliche Arbeitsdisziplin aufzubringen, kann sich Dubugnon keinen besseren Beruf vorstellen: «Die Freiheit ist das Schönste. Ich entscheide selbst, wann, an was und wo ich arbeiten möchte.» Wovon er träumt? «Eine Oper über einen Roman von Stefan Zweig und die Musik zu einem Science-Fiction-Film von Ridley Scott zu komponieren».
Neuer Chef am Musikkollegium
Thomas Zehetmair (*1961) begann seine Karriere als Violinist in Salzburg und Wien. Parallel dazu widmete er sich dem Dirigieren. Neben zahlreichen Engagements als Gastdirigent war er Chef des britischen Kammerorchesters Royal Northern Sinfonia und des Orchestre de Chambre de Paris. In der Saison 2016/17 übernimmt Zehetmair die Leitung des Winterthurer Musikkollegiums. Das Programm für die Saison orientiert sich am Rychenberger Gastbuch der Familie Reinhart, die einer der wichtigsten Förderer des Musikkollegiums war. Komponisten wie Anton Webern, Igor Strawinsky oder Claude Debussy trugen sich darin ein. Für Zehetmair ist das Gastbuch eine starke Inspiration, und er freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem Orchester: «Ihr Können, ihre Neugier und der Wunsch, eine eigene Identität auszustrahlen, begeistern mich.» Acht Programme der Saison wird er dirigieren – von Beethoven über Wagner und Hindemith bis zu Britten und Zender.
Hauskonzert: Debussy, Dubois, Saint-Saëns
Leitung: Thomas Zehetmair
Do, 17.11., 19.30 Stadtkirche Winterthur
www.musikkollegium.ch
Konzerte
Freikonzert: Konzerteinführung mit Richard Dubugnon und eine kleine Überraschung
Sa, 5.11., 16.15 Stadthaus Winterthur
Familienkonzert: Das Schlüsselspiel
Sa, 28.1.17, 17.00 Stadthaus Winterthur
Hauskonzert: Werke für Violine und Klavier
Fr, 24.2.17, 19.30 Stadthaus Winterthur
Mehr Infos: www.richarddubugnon.com