Rhythmus als inneres Gerüst
Das Aargauer Kunsthaus spürt den Rhythmus in der Kunst auf. Die Ausstellung «Rhythm in it» schlägt einen Bogen von Künstlern wie Ferdinand Hodler über Paul Klee bis zur Deutschen Katja Strunz. Sie haben eines gemeinsam – den Rhythmus.
Inhalt
Kulturtipp 10/2013
Letzte Aktualisierung:
06.05.2013
Rolf Hürzeler
Schweigsam? Stumm? Das Werk des englischen Künstlers Jonathan Monk (44) irritiert auf den ersten Blick. Das Wort «Silent», mit Lämpchen als Buchstaben geschrieben, erscheint dem Betrachter sinnlos (Bild oben). Erst allmählich erschliesst sich die Botschaft des Werkes. Die Lämpchen erlöschen nach und nach. «Silent» bringt sich so in einer feinen zeitlichen Abfolge selbst zum Schweigen – in einem Rhythmus eben.
37 Künst...
Schweigsam? Stumm? Das Werk des englischen Künstlers Jonathan Monk (44) irritiert auf den ersten Blick. Das Wort «Silent», mit Lämpchen als Buchstaben geschrieben, erscheint dem Betrachter sinnlos (Bild oben). Erst allmählich erschliesst sich die Botschaft des Werkes. Die Lämpchen erlöschen nach und nach. «Silent» bringt sich so in einer feinen zeitlichen Abfolge selbst zum Schweigen – in einem Rhythmus eben.
37 Künstler – 60 Werke
Das ist ein Werk, mit dem die neue Ausstellung «Rhythm in it» des Aargauer Kunsthauses die Besuchenden konfrontiert. Das Museum hat um die 60 Werke von 37 Künstlern zusammengetragen, die den Rhythmus thematisieren. Bei den einen ist die Aussage sogleich erkennbar, bei andern ist sie versteckt und erschliesst sich den Betrachtenden erst nach einer Weile.
Die Auswahl der Künstler in dieser Schau liest sich wie ein «Who is who» der Gegenwartskunst mit prominenten Namen vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute: Von John M. Armleder über Richard Paul Lohse, Verena Loewensberg bis zu Markus Raetz und der Luxemburgerin Su-Mai Tse. Der Besucher staunt, wie vielfältig sich das Thema abhandeln lässt. Abgesehen von trivialen Erscheinungen wie dem Wetter bei Hodler geht es etwa um die Zeit, vor allem um die menschliche Lebenszeit. Oder um Kulturtätigkeiten wie Musik und Tanz. Rhythmische Abfolgen kommen auch in der Natur vor, und sie sind in technologischen Mechanismen sichtbar, etwa bei den Installationen von Jean Tinguely. Sämtliche Kunstformen sind im Kunsthaus Aarau vertreten: Malerei, Fotografie, Film, Skulptur, Installation, Grafik.
Der Titel «Rhythm in it» erinnert an die legendäre Filmproduktion «Rhythm is it!» (2004) mit dem Dirigenten Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern. Sie begleiteten eine Aufführung von 250 tanzenden Kindern und Jugendlichen, die Igor Strawinskys Ballett «Le Sacré du printemps» einstudiert hatten. Die meisten von ihnen hatten einen schwierigen sozialen Hintergrund; sie mussten sich den Regeln eines Gemeinschaftsprojekts unterordnen und sollten damit ihr späteres Leben einfacher bewältigen können. «Rhythm is it!», ein Zitat aus dem Film, wurde seinerzeit als beispielgebende Verbindung zwischen Kunst und Sozialpädagogik gefeiert.
Sichtbar machen
Und was ist der Zusammenhang mit der Aarauer Ausstellung? «Es geht darum, dass der Rhythmus in den Dingen ist, dass er in den Kunstwerken aufgehoben ist als eine Art inneres Gerüst», schreibt die Kunsthaus-Direktorin und Kuratorin Madeleine Schuppli im Katalog zur Ausstellung.
Hodlers Rhythmus
Ebenso wie der Rhythmus den Tanz prägt, macht er die Kunst erlebbar. Im Ölgemälde «Genfersee mit Jura» von Ferdinand Hodler ist der Rhythmus beispielsweise offenkundig spürbar (Bild oben rechts). Die Föhnwolken bringen das nur angedeutete Landschaftsbild zum Leben. Man spürt förmlich, wie ein laues Lüftchen von den Savoyer Alpen über das Gewässer streicht. Die Wolken sind für Hodler wichtiger als der See mit den Berghöhen. Darum lautet der Untertitel des Werks «Landschaftlicher Formenrhythmus». «Abstrahierend vereinfachte er die reale Landschaft und ordnete die Topographie dem Rhyth-mus der Komposition unter», schreibt Schuppli.
Etwas vertrackter ist die Installation der deutschen Künstlerin Katja Strunz (*1970). Sie hat vier alte Wanduhren – Pendulen aus dem 19. Jahrhundert – miteinander verhängt unter dem etwas sperrigen Titel «Crack Initiation Testing». Zu Deutsch: «Rissbildungstest» (Bild oben links).
Strunz setzt diese Uhren Stromstössen aus, um die Belastbarkeit des Materials zu testen. Die Belastung wird den natürlichen Abnutzungsprozess beschleunigen, der Lebensrhythmus wird damit schneller. Das Ende ist näher als vorgesehen. Eine Metapher auf das menschliche Dasein und dessen Vergänglichkeit in Form einer Pendulen-Installation.
Rhythm in it
Sa, 18.5.–So, 11.8.
Aargauer Kunsthaus Aarau