Alles hat vor mehr als 20 Jahren angefangen, als winziges Studio in einem Bauernhaus-Anbau im luzernischen Meggen. Darum auch der Name Soundfarm. 2001 zog die Soundfarm in den Ortsteil Obernau der Luzerner Vorortsgemeinde Kriens, in ein Gewerbegebiet mit Autogaragen und einem Shaolin-Tempel in der Nachbarschaft. Gleich hinter dem Haus fliesst der Renggbach vom Pilatus herab, dann kommt nur noch Wald.
Ein Steinway D mit Tagespauschale
In Kriens waren es erst 90 Quadratmeter, mittlerweile haben sich die Studios auf stattliche 500 Quadratmeter ausgedehnt. Gründer Marco Jencarelli (50), im Zweitberuf Gitarrist und Musical Director der Band von Philipp Fankhauser, ist heute mit seinen Schulfreunden Mischa Bösiger (Produzent) und Olivier Bregnard (selber Sänger) aus alten Lehrerseminar-Zeiten Gesellschafter der Soundfarm Studios.
Der Rundgang bei unserem Besuch geht durch drei grosse Aufnahmeräume mit hellem Tageslicht, rund um die Studios verläuft eine Terrasse. Einer der Räume diente der inzwischen ausgezogenen Luzerner Hitparaden-Band Dada Ante Portas als Proberaum, in einem anderen war ein Töffklub zu Hause. An den Wänden schalldämmende schwere Vorhänge, grosse Fenster lassen den Blick frei von den Regie- zu den Aufnahmeräumen.
Dann natürlich das Instrumentarium und das Equipment, wie man es von einem Aufnahmestudio erwartet: ein halbes Dutzend Schlagzeugsets, Verstärker, unzählige Mikrofone und Kabel. Zwischen den vielen Tasteninstrumenten steht tatsächlich ein Steinway D – der Rolls Royce unter den Flügeln. Wie kommt ein so teures Instrument dahin? Marco Jencarelli hatte sich die Frage gestellt: «Was macht man, wenn man einen Steinway will und sich keinen leisten kann?» Ganz einfach: Man findet ein besonderes Mietmodell. So kam es, dass der Konzertflügel, der einst in Zürich in der Tonhalle und im Volkshaus gute Dienste leistete, nun in Kriens zwar ständig zur Verfügung steht, aber nur dann mit einer Tagespauschale bezahlt werden muss, wenn er tatsächlich benutzt wird. So geht die Rechnung auf. «Ich liebe Win-Win-Deals», sagt Marco Jencarelli.
Miete zahlt nur, wer Umsatz generiert
Im Raum mit den Tasteninstrumenten findet man auch eine originale Hammond-B3 mit Jahrgang 1957, die das Herz jedes Orgelspielers höherschlagen lässt. Die Hammond musste weder gekauft noch gemietet werden. Sie ist die Leihgabe eines Gönners, eines musikliebenden Geschäftsmanns.
Seit drei Jahren wird in den Soundfarm Studios das Betriebsmodell mit sogenannten Residenzen praktiziert. Das ist das Einzigartige: Die Regieräume werden zur Verfügung gestellt, mietfrei. Nur wenn mit Kundenaufträgen Umsatz generiert wird, gilt ein Miettarif. Die Räume sind 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche nutzbar. Voraussetzungen dafür, dass aus den Soundfarm Studios «ein lebendiger Ort» mit einer «grossen Soundfarm-Familie» wird, wie es sich Jencarelli für die Zukunft wünschen würde. Der Studio-Gründer ist heute einer von sechs, die hier Musik aufnehmen, produzieren, mischen und mastern.
Natürlich muss sich die Belegung mit den Residenzen einmal auch ökonomisch bewähren. Die Zeichen stehen gut, dass es im Businessplan dereinst aufgeht. Das soll, so Jencarelli, möglich sein: «Ausprobieren, arbeiten und für sich etwas lernen».
Einen der Residenz-Räume belegt der bewährte Studio-Crack Deezl Imhof. Ein klotzig anmutendes Aufnahmegerät mit breitem Bandmaterial zeugt davon, dass er nach wie vor auf analoge Technik setzt. Die anderen vertrauen dem Digitalen, die früher üblichen Mischpulte sind Tastaturen und Monitoren gewichen. Sie erlauben ein Arbeiten mit theoretisch beliebig vielen Aufnahmespuren.
Regionale, nationale und internationale Musiker
Steffen Peters ist studierter Bassist und Komponist sowie ausgebildeter Tonmeister. Er ist beim Besuch damit beschäftigt, Tonaufnahmen von klassischer Musik aus einer Kirche am Computer zu bearbeiten. Man trifft hier auch auf Studenten von Tontechniker- und Musikhochschulen, die den Erfahrenen bei einem Praktikum über die Schulter schauen können. Der kleinste Raum ist für Manuel Bissig und Andrin Schwendener reserviert.Der Musiker und der Tontechniker teilen sich als «Rookies», wie man die Jungspunde hier nennt, einen Arbeitsplatz.
Die Sängerin und Instrumentalistin Anna Murphy hat sich im kleinen Ur-Regieraum eingerichtet. Sie war früher bei der Folk-Metal-Band Eluveitie aktiv und arbeitet gerade an eigenem Musikmaterial ihrer Formation Cellar Darling. Das Studio-Technische hat sie sich in der Soundfarm angeeignet. Es ist kein Zufall, dass sie auf drei Stücken von John Wolf Brennans soeben erschienene «Nonsolo- piano»-Platte «nitty gritty ditties» singt (siehe Seite 22). Brennan wiederum hat sein aktuelles Album auf dem besagten Steinway-Flügel eingespielt.
Nach mehr als 20 Jahren kommt eine schöne Zahl von Musikerinnen und Musikern unterschiedlichster stilistischer Ausrichtung zusammen, welche die Dienste der Soundfarm Studios nutzten: Cellar Darling und Philipp Fankhauser, die mit den Studios persönlich verbunden sind, 7 Dollar Taxi, Martina Linn, Christy Doran, Dominic Schoemaker, Richard Koechli, Monotales und etliche mehr.
Fast hätte Marco Jencarelli es vergessen: Irgendwo liegt noch eine Preziose herum. Eine Neuerwerbung, ein AKG-Gesangsmikrofon. Ein wahrhaft legendäres Teil. Er erfuhr, dass man das Mikrofon erwerben konnte, doch überstieg der Verkaufspreis seine Möglichkeiten bei weitem. Das Mikrofon stammt aus den Beständen der Mountain Studios in Montreux, die heute als Museum eingerichtet sind. Beim AKG handelt es sich um einen veritablen historischen Schatz: Freddie Mercury und David Bowie haben schon in dieses Mikrofon gesungen. Marco Jencarelli verrät, dass man sich «nach ein paar Whiskys» mit dem Besitzer auf einen Naturaltausch hat einigen können.
Soundfarm
www.soundfarm.ch