Im Innenhof des Generationenhauses in Bern herrscht reger Betrieb. Ein Bub rennt mit einer rotgetigerten Katze im Arm unter den Bäumen vorbei, die von Arbeitern für den Frühling zurechtgestutzt werden. Eine ältere Frau erkundigt sich nach dem Weg zur Cafeteria, während wir an einem Tisch in der Sonne sitzen und über Regula Portillos neues Buch reden.
Schauplatz des Romans ist ebenfalls ein Ort, wo Generationen miteinander ins Gespräch kommen. Denn die junge Ich-Erzählerin ist Pflegefachfrau in einem Berner Altersheim, das Wert legt auf eine persönliche Betreuung.
Der Bogen zurück ins Leben
Inspiriert wurde Portillo, die als Texterin in einer Kommunikationsagentur arbeitet, von einem Projekt, für das sie in einem Altersheim Interviews mit den Bewohnern geführt hat. «Es war so bereichernd, diese Lebensgeschichten zu hören, dass ich ihnen einen Platz in meinem Roman geben wollte», sagt sie. «Von aussen sieht man manchmal nur noch den gebrechlichen Menschen, der Pflege braucht.
Aber da steckt ein ganzes Leben drin. Wir alle haben diverse Versionen von uns in uns selbst.» Vom Abschiednehmen handelt auch der zweite Erzählstrang im Roman. Die Ich-Erzählerin lässt beim «Couchsurfen» einen jungen Mann bei sich wohnen. Von einem Ausflug in Richtung Zermatt kehrt Oliver jedoch nicht mehr zurück. «Ich hatte in der Zeitung vom plötzlichen Verschwinden eines Touristen gelesen, und die Nachricht hat mich nicht mehr losgelassen.» Diese Geschichte hat die Autorin durch die Figur des Oliver nun im Roman weitererzählt.
Der Buchtitel «Wendeschleife» bezeichne auch «den Bogen zurück ins Leben nach einem Schicksalsschlag». «Ein Mensch lebt in all den Geschichten, welche die Hinterbliebenen über ihn erzählen, weiter.»
Ihre beiden ersten Romane «Schwirrflug» und «Andersland» haben ebenfalls einen wahren Kern – und greifen mit empathischem Blick gesellschaftliche Fragen auf. Sei es das Altern in Würde, die Situation von Homosexuellen beim Adoptionsrecht oder das Leben zwischen verschiedenen Kulturen.
Letzteres kennt die 44-Jährige aus eigener Erfahrung. Aufgewachsen ist sie mit vier Geschwistern im Solothurnischen, davor waren ihre Eltern als Ärzte in der Entwicklungszusammenarbeit in Peru tätig. Sie selbst wollte zuerst etwas ganz anderes machen und ist im Austauschjahr in Norwegen gelandet, wo sie ihren zukünftigen Mann Héctor kennengelernt hat: einen Mexikaner.
Und so hat sich der Kreis zu Lateinamerika wieder geschlossen. Nach einem Studienjahr in Nicaragua lebten die beiden mehrere Jahre in Mexiko, später in Frankfurt. Seit fünf Jahren sind sie mit ihren Zwillingsjungs im Teeniealter zurück in Bern. Die liebevolle Romanbeschreibung von Bern mit der Aare, die ihren Arm beschützend um die Stadt legt, zeigt, wie wohl sie sich hier, nahe bei ihrer grossen Familie, fühlt.
Buchvernissage
Mi, 6.3., 20.00
Buchhaus Lüthy Solothurn
Fr, 8.3., 20.00
Buchhandlung Kapitel 10 Zürich
Buch
Regula Portillo
Wendeschleife
224 Seiten
(Edition Bücherlese 2024)
Regula Portillos Kulturtipps
Podcast
8424 Züri West
«Der Podcast erzählt die Geschichte der Berner Band Züri West. Eine berührende Zeitreise, bei der viele Erinnerungen wach werden.»
Film
Lisa Gerig: Die Anhörung
«Der Film, in dem vier Anhörungen von abgewiesenen Asylsuchenden und Mitarbeitenden des Staatssekretariats für Migration ein zweites Mal durchgeführt werden, macht betroffen und wirft Fragen auf. Die vielleicht drängendste: Wie gehen wir als Gesellschaft mit Menschen in Not um?»
Theater
Stina Werenfels: Ein Leben
«Viele Gänsehautmomente, Sätze und Gedanken, die man festhalten möchte. Und für mich der perfekte Einstieg in das Werk von Annie Ernaux.»
Mi,13.3./Sa, 23.3., Vidmar Bern