Es läuft gerade viel im Leben von Ramón Oliveras. Zwischen einer Studiosession und einem Konzert findet der Schlagzeuger und Komponist aber Zeit für ein Gespräch im Zürcher Buch-Café «Sphères». Ein stimmiger Ort, findet der Musiker, der aufgrund seiner ADHS und seiner Queerness seit Kindsbeinen grossen Wert auf «fürsorgliche» Räume legt, wie er sagt.
Einen solchen Raum schafft er für sich und sein Publikum auch mit seinem Projekt «A Certain Darkness Is Needed to See the Stars», das soeben als Album erschienen ist. Nun bringt er es als Ritual Performance ins Zürcher Theaterhaus Gessnerallee. «Ich baue mein Schlagzeug in der Mitte der grossen Halle auf», erzählt Oliveras. Damit das Publikum sich wohl fühle, werde es zuvor von der Seelengeleiterin Sharon eingeführt und am Schluss zurück ins Leben begleitet. Sharon ist niemand anderes als die schreibende Kunstfigur Kim de l’Horizon.
«Fragen nach Leben und Tod prägen das Stück»
«Ich weiss, das klingt jetzt etwas kompliziert», lacht Oliveras und erzählt dann der Reihe nach. Im Stück gehe es um das Loslassen. Er habe das Drumsolo über Jahre und parallel zum langsamen Sterben seiner Mutter entwickelt. «Die Fragen nach Leben und Tod und einem allfälligen Sinn prägen das Stück, das aus rhythmischen Einheiten besteht, die sich überraschend verändern, bedrängen und überlagern.»
Das rund 40-minütige Solo bringt Oliveras ans Limit, weil es seine ganze Aufmerksamkeit und körperliche Kraft bedingt. Diese Grenzerfahrung will er dem Publikum weitergeben, aber auch abfedern, indem er ihm ermöglicht, das Stück stehend, sitzend, liegend oder tanzend zu verfolgen.
Mit Grenzerfahrungen kennt sich Oliveras, der in Rapperswil aufgewachsen ist, aus. «Als ADHS-Kind fand ich einen Zufluchtsort in der Musik», erinnert er sich. Seine Eltern und sein erster Schlagzeuglehrer unterstützten ihn. «Ich selbst setzte alles daran, weiterzukommen», sagt Oliveras, der an der ZHdK Jazzschlagzeug sowie klassische Komposition studierte. Mit seiner Band Ikarus experimentiert er seither im Bereich ritueller Groovemusik. Ganz anders klingt das Trio Dalai Puma, das seine Queerness in fröhlichem Indierock auslebt.
Musik bedeutet ihm viel, seine Neugierde treibt ihn aber auch weiter. Er dreht Musikvideos, gibt sein Wissen als Coach an jüngere Kolleginnen und Kollegen weiter. Mit Kim de l’Horizon arbeite er an einem Textilprojekt, erwähnt er nebenbei. «Und demnächst erscheint ein Hörspiel, an dem ich mitgeschrieben habe.» Es läuft viel im Leben von Ramón Oliveras. Fortsetzung folgt.
Konzerte
Performances mit Kim de l’Horizon
Fr/Sa, 7.2./8.2., 20.00
Gessnerallee Zürich
Album
Ramón Oliveras
A Certain Darkness Is Needed to See the Stars (Ronin Rhythm 2025)
Ramón Oliveras’ Kulturtipps
Show
Drag im Ring Vol. 3 by Rachel Harder
«Ich bin schon lange ein grosser Fan der Luzerner Wrestlingcrew Brigade Brut. Nun steigt sie zusammen mit Drag-Artists in den Ring. Das wird fantastisch.»
Sa, 8.2., 22.00 Südpol Luzern
Buch
Alison Kafer: Feminist, Queer, Crip (Combined Academic Publ. 2013)
«Nach wie vor eines meiner Lieblingsbücher, das zeigt, wie unsere Gesellschaft mit Körpern, Behinderungen, Krankheiten und dem Altwerden umgeht.»
Album
Shabaka: Perceive Its Beauty, Acknowledge Its Grace
(Impulse 2024)
«Ich habe einen emotionalen Zugang zu Flötenklängen und spiele selber die japanische Bambusflöte Shakuhachi. Darum berührt mich dieses Album tief.»