Rafik Schami Mit grosser Fabulier- kunst
Rafik Schamis jüngster Wurf ist ein unterhaltsam-absurdes Buch über seine eigene und die allgemeine Kunst des Erzählens und Schreibens.
Inhalt
Kulturtipp 16/2011
Regula Pfeifer
«Oder wie ich zum Erzähler wurde» – der Untertitel von Schamis Erzählband «Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte» sagt mehr als sein Titel. Wir werden also vom literarischen Werdegang des syrisch-deutschen Schriftstellers erfahren. Was simpel klingt, erweist sich als Sammlung von witzig-absurden Geschichten aus Schamis Leben und Fantasie, angereichert mit Wissen über die arabische und deutschsprachige Literatur.
Auf wundersame &...
«Oder wie ich zum Erzähler wurde» – der Untertitel von Schamis Erzählband «Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte» sagt mehr als sein Titel. Wir werden also vom literarischen Werdegang des syrisch-deutschen Schriftstellers erfahren. Was simpel klingt, erweist sich als Sammlung von witzig-absurden Geschichten aus Schamis Leben und Fantasie, angereichert mit Wissen über die arabische und deutschsprachige Literatur.
Auf wundersame Überschriften folgen ebensolche Geschichten: «Mit Papierschwalben nach Timbuktu» oder «Warum Grossvater nicht schlafen konnte». Eine grosse Fabulierlust ist zu spüren. Dahinter steckt aber ein logischer Buchaufbau. Erst erfahren wir, dass Schamis Interesse an Geschichten vom erzählenden und schauspielernden Grossvater und der schlagfertigen Mutter stammt. Dann wird das Spielen und das Spiel mit Sprache zum urmenschlichen Bedürfnis erklärt, und wir lesen, weshalb Geschichten wichtig sind: Sie sollten Menschen in andere Welten versetzen.
Im Erzählen messen
Nach einer Lobeshymne auf die überlieferten Erzählungen, die Märchen, erleben wir die Entstehung neuerer. Im «Wettbewerb der Lügner» übertrumpfen Damaszener Nachbarn einander mit Geistergeschichten. Wenig später präsentiert uns der Autor seine eigene Schreib- und Erzählkunst. In der Geschichte «Sprich, damit ich dich sehe» wird über die mündliche und schriftliche Erzählkunst debattiert. Dabei misst sich der Erzähler mit einem Damaszener Uniprofessor. Die Diskussion droht auszuufern. Nun wäre Rafik Schami nicht zum berühmten Erzählkünstler geworden, wenn er dies nicht bemerkte. Kurzum lässt er seinen tröstenden «Engel» Don Quijote mit Pferd und Bauer Sancho auftreten und den Schriftsteller zum kämpfenden Weitermachen animieren. Den Abschluss des Buches bildet Grossvaters Tod, dem der Junge die Brille nachschickt. Ein Himmel ohne Lesemöglichkeit erscheint unvorstellbar.
Bleibt die Frage, was der wenig schmeichelhafte Titel «Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte» bedeuten mag. Die Szene, die der Junge mit dem Grossvater beobachtet, bringt ihn auf eine Idee. Er fragt seine Mutter, ob sie den teuren, schweigsamen Vater verkaufen und dafür den billigen, erzählfreudigen Grossvater und ein Radio erstehen könnte. Eine herrlich kindliche Idee, die zeigt, wie lebenswichtig Geschichten für den Jungen und späteren Autor sind.
[Buch]
Rafik Schami
Die Frau, die ihren Mann auf dem
Flohmarkt verkaufte.
Oder wie ich zum Erzähler wurde
176 Seiten
(Hanser Verlag 2011).
[/Buch]