kulturtipp: Frau Köppen, Ihre Abteilung «Audience» erhebt die Bedürfnisse des Publikums. Wie genau gehen Sie dabei vor?
Laura Köppen: Über viel Dialog. Wir sprechen mit verschiedenen Zielgruppen über ihre Mediennutzung und Erwartungen an SRF. Daneben geben uns bis zu 650 Nutzerinnen und Nutzer des SRF-Zuschauer-Panels regelmässig Feedbacks auf Format-Ideen oder Pilotfolgen. Zudem führen wir gezielte Studien mit jeweils mindestens 1000 Beteiligten durch.
Und wie entstehen daraus Ideen für neue Sendeformate?
«Audience» ist Teil eines Kreativprozesses, Ideen können überall bei SRF entstehen. Unsere Aufgabe ist es, Lücken im Portfolio zu identifizieren, also etwa aufzuzeigen, wenn wir für eine Altersgruppe zu wenige Angebote haben. Seit Beginn des neuen Entwicklungsprozesses «SRF 2024» haben wir fast 50 Ideen bewertet, 17 davon sind – wie für die Entwicklung des Literaturangebotes – zur Weiterentwicklung freigegeben.
Sie liefern also Konzepte für neue Formate. Wie funktioniert deren Weiterentwicklung?
Die Konzepte werden in interdisziplinären Teams erarbeitet. So wird sichergestellt, dass alle wichtigen Faktoren und Überlegungen von Anfang an mitgedacht werden: Vom Zielpublikum und seinen Bedürfnissen über publizistische Überlegungen bis hin zu Fragen, wie das Angebot am besten sein Publikum erreicht. Und natürlich gilt es auch, die Produktionsweise und die Kosten im Griff zu behalten.
Und wer ist letztlich für die Umsetzung zuständig?
Noch immer die Journalistinnen und Journalisten in den Fachredaktionen, zusammen mit den Abteilungen Distribution und Produktion.
Wie kommt es umgekehrt dazu, dass Sendeformate gestrichen werden?
Das ist ein vielschichtiger Prozess mit vielen Beteiligten. Letztlich zwingt uns die Finanzlage zu Veränderungen. Seit 2018 hat sich unser Finanzrahmen bis 2022 um rund 40 Millionen Franken reduziert. Wir können mit sinkendem Budget nicht mehr alles machen und müssen uns zugleich für die Zukunft aufstellen. Unsere Entscheidungen fussen auf einer Mischung aus Nutzungsbedürfnissen und Angebotserwägungen.
Was hat konkret zur Streichung der Sendung «52 beste Bücher» geführt?
Unsere Studien zeigen, dass lange Wortinhalte immer weniger dem Nutzerbedürfnis entsprechen. Radio wird zum Begleitmedium. Gleichzeitig ist es unser Auftrag, Literatur zu fördern. Mit einem ganzheitlich neu aufgestellten Literaturangebot reagieren wir auf diesen Medienwandel und stellen sicher, dass wir auch in Zukunft ein vielseitiges Angebot im Fernsehen, Radio und digital bieten können.
Dies hat SRF-Kulturchefin Susanne Wille bereits Mitte letzten Jahres versprochen. Das Publikum wartet bis heute …
Die Kommunikation zu den anstehenden Veränderungen erfolgte bewusst frühzeitig, bevor die Entwicklungsteams gestartet sind. Als Erstes haben wir eine Studie mit literaturinteressierten Menschen in der Deutschschweiz durchgeführt, um mehr über das konkrete Nutzerbedürfnis zu erfahren. Diese Erkenntnisse werden nun im Entwicklungsprozess umgesetzt.
Aber ganz konkret: Welche neuen Sendeformate können Sie uns im Literaturbereich in Aussicht stellen?
Die Angebote werden für einen jeweiligen Ausspielkanal konzipiert, stehen aber nicht für sich alleine da, sondern sind über eine ausgeklügelte Distributionsstrategie miteinander verbunden. Kernelement ist ein digitales Audioformat, das auch als lineare Radiosendung bei Radio SRF 2 Kultur zu hören sein wird. Zudem wollen wir Inhalte und Themen aus der Fachredaktion Literatur über Radio SRF 1 und über unsere digitalen Plattformen zum Publikum bringen.
Inwiefern sind diese neuen Angebote besser als die alten?
Es geht nicht um eine Bewertung von Neu und Alt. «52 beste Bücher» hat eine treue Fangemeinde bei Radio SRF 2 Kultur und wurde auch in der Literaturbranche sehr geschätzt. Nun ist die Zeit gekommen, das Literaturangebot in die digitale Zukunft zu überführen und an die veränderte Mediennutzung anzupassen.
Neue Formate sind auch im Klassik- und Jazzbereich angekündigt worden.
Im Bereich Klassik und Jazz liegt der Fokus momentan nicht auf neuen Sendegefässen, sondern auf dem strategischen Ziel, die Talentförderung in den Fokus unseres Angebots zu setzen. Das bedingt eine Weiterentwicklung im bestehenden Angebot, wird aber auch in Form von Schwerpunkten und Highlights spürbar werden.
Kürzlich hat SRF-Direktorin Nathalie Wappler bekannt gegeben, dass die Produktionsstandards überprüft und vereinfacht werden sollen. Das geht doch nur auf Kosten der Qualität?
Nein, entscheidend ist bei diesen Überlegungen, welche Qualität für die Nutzer spürbar und relevant ist. Hier gibt es grosse Unterschiede. So sind beispielsweise junge Nutzerinnen und Nutzer Aufnahmen und Formate gewohnt, die ausschliesslich mit einem Smartphone produziert sind. Sie empfinden solche Qualitätseinbussen nicht als störend, sondern vielmehr als authentisch.
Nochmals: Wann darf das Publikum welche neuen Formate erwarten?
Erste neue Formate sind angelaufen, etwa das Instagram-Format «We, Myself and Why» mit Geschichten über junge Frauen oder das Philosophieformat «Bleisch & Bossart» bei Youtube. Im Juli ist das neue Reportageformat «.rec» auf dem Dok-Youtube-Kanal gestartet. Nach dem Sommer gehts los mit dem wissenschaftlichen Format «Co2ntrol» zu Umwelt- und Naturthemen und dem neuen Wissenshub bei SRF. Schon bald nimmt zudem der neue Investigativ-Desk seine Arbeit auf, wo neue Formate entstehen sollen.
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