kulturtipp: Franzsiska Baetcke, wie gut gefällt Ihnen Radio SRF 2 Kultur ein Jahr nach dem Relaunch?
Franziska Baetcke: Ich bin stolz, dass wir dieses Jahr so gut überstanden haben, ohne die gute Laune zu verlieren. Wir konnten den Sender zu einem modernen Kulturradio umbauen, ohne die alten Stärken zu vernachlässigen. Wir mussten Kritik einstecken, haben aber nicht auf stur geschaltet, sondern uns damit auseinandergesetzt.
So zufrieden? Sie haben um die 30 000 Hörerinnen und Hörer verloren; die Reichweite liegt noch bei 330 000.
Richtig, SRF 2 Kultur ist für einen Teil des Stammpublikums weniger attraktiv.
Und Sie haben kein neues Publikum gefunden.
Doch, allerdings nicht im gleichen Mass, wie wir Hörer verloren haben. Aber wir sehen, dass das neue Programm neue Zielgruppen erreicht, vor allem auch jüngere. Wir sind mit SRF 2 Kultur auf dem richtigen Weg.
Warum ist für Sie ein junges Publikum so viel besser als ein altes? Sie müssen sich ja nicht um Werbung kümmern?
Es geht mir ja nicht darum, die Zielgruppe der 18- bis 25-Jährigen zu erreichen. Aber es gibt auch jüngere Kulturinteressierte und somit Wachstumspotenzial für unser Angebot. Das Publikum von DRS 2 ist schneller gealtert als die Gesellschaft. Und wenn man da nicht Gegensteuer gibt, ist das Publikum einmal so alt, dass es nicht mehr Radio hört.
Was? Wegen Hörbehinderungen? Ist das Ihr Ernst?
Bei einem Altersdurchschnitt von 65 Jahren ist die Hälfte der Zuhörerschaft über 65 Jahre alt. Wir möchten mit SRF 2 Kultur ein möglichst breites kulturinteressiertes Publikum erreichen, unabhängig vom Alter.
Exakt, Sie sprechen immer ein Publikum zwischen 60 und 65 Jahren an, jüngere finden Sie nicht.
Unsere Erhebungen haben gezeigt, dass SRF 2 Kultur nach den Programmänderungen vermehrt von 30- bis 50-Jährigen gehört wird. Dort liegt unser Potenzial.
Genau das Zielpublikum von Radio SRF 3.
Die Radioprogramme von SRF sind sorgfältig aufeinander abgestimmt und bieten für jeden Geschmack etwas. Wir haben ein anderes Angebot als Radio SRF 3 – andere Sendungen und andere Musik. Wir wissen jetzt, dass es auch jüngere Hörer gibt, die sich für unser Programm interessieren und die von uns gespielte Musik mögen. Wir fischen nicht nach jenen, die gezielt Phone-ins suchen.
Phone-ins haben Sie ja mit dem «Klassiktelefon» selbst im Programm.
Na ja, da spricht man seinen Wunsch aufs Band. Wir wollen mit dem Publikum in direkten Kontakt treten, darum ist das «Klassiktelefon» ein zentraler Teil unseres Programms. Eine knappe Stunde in der Mittagszeit deckt ein grosses Bedürfnis der Hörerschaft ab, aber ich würde das nicht fünf Stunden lang ausstrahlen.
Auch wenn alles so gut läuft, nehmen Sie jetzt Änderungen am Programm vor.
Wir glaubten, dass wir am Wochenende mit unserem Programm erst um 7 Uhr beginnen können, und spielten bis dahin Radio Swiss Classic. Das hat sich als falsch erwiesen, die Leute wollen SRF 2 Kultur auch am Wochenende schon ab 6 Uhr hören. Unser Publikum unterscheidet zwischen einem live präsentierten Programm und Sendungen, die vorproduziert sind, wie bei Radio Swiss Classic. Darum startet SRF 2 Kultur im neuen Jahr am Wochenende wieder eine Stunde früher.
Da erstaunt es mich, dass Sie Leute, die gerne klassische Musik hören, zu Radio Swiss Classic abschieben wollen, wie Sie in einem Interview gesagt haben.
Ja, ich glaube, wer nur klassische Musik ohne Wortbeiträge hören möchte, fährt dort besser. Radio SRF 2 Kultur vermittelt dem Publikum Informationen zu kulturellen und gesellschaftlichen Themen sowie zur Musik, und das geht nun mal übers Wort. Unsere Moderatoren sind Journalisten, sie können Nachrichten einordnen und Hintergrundwissen vermitteln.
Gehört dazu, dass mir SRF 2 Kultur an einem Morgen zwischen 6 und 7 Uhr fünf Mal ankündigen muss, bald kommt ein Interview mit dem Kabarettisten Thomas C. Breuer?
Unser Publikum verweilt am Morgen durchschnittlich 20 Minuten beim Sender. Wenn wir ein Interview nur einmal ankündigen, entgeht diese Information somit vielen. Wir müssen die Leute für unsere journalistischen Leistungen und damit für die Kultur begeistern. Das macht uns unverwechselbar.
Glauben Sie wirklich, ich komme zu spät zur Arbeit, weil ich ein Radiointerview hören will?
Vielleicht sitzen Sie ja im Auto oder haben ein Smartphone und können den Beitrag unterwegs hören.
Die Hektik auf SRF 2 Kultur ist nach den Publikumsprotesten im Lauf des Jahres zurückgegangen.
Am Grundsatzentscheid zu den Programmänderungen halten wir fest. Denn sie haben sich als richtig erwiesen. Aber es freut mich, wenn man leichte Anpassungen bemerkt.
Trotzdem leuchtet nicht ein, warum SRF 2 Kultur jede halbe Stunde Nachrichten ausstrahlt mit immer den gleichen Meldungen. Wer Nachrichten hören will, findet sie auf andern Kanälen.
Die Nachrichten zur vollen Stunde sind ja wesentlich knapper geworden, dauern 60 bis 90 Sekunden. Sie sind pfiffig formuliert und passen perfekt in den Programmfluss. Bei der Sendung «Heute Morgen» ist das anders, aber eine ausführlichere Nachrichtensendung gehört bei einem Service-public-Angebot auf allen Kanälen dazu.
Sie wollen jetzt SRF 2 Kultur mit einer Werbekampagne bekannter machen. Ich mache Ihnen einen ersten Vorschlag, der Sie nichts kostet.
Da bin ich aber gespannt. Soll ich Sie gleich mit unserer Marketing-Abteilung verbinden?
Nicht nötig, liefern Sie doch einfach die Programminformationen früher, dann wissen die Leute, was kommt, und schalten ein.
Wir wollen ja auch Leute erreichen, die Radio SRF 2 Kultur noch nicht kennen und den kulturtipp nicht lesen. Das ist die Herausforderung. Unser Angebot ist zudem in der Zwischenzeit so aktuell geworden, dass wir unsere Medientexte nicht mehr vier Wochen vor Sendetermin bereithaben. Da hilft uns beispielsweise die niederschwellige Kulturplattform im Internet www.srf.ch/kultur.
Franziska Baetcke
Die 45-jährige Baslerin Franziska Baetcke studierte Kunstgeschichte und war jahrelang Fachredaktorin für bildende Kunst beim Schweizer Radio. Sie ist Programmchefin von Radio SRF 2 Kultur und Leiterin von Fernsehsendungen wie die «Sternstunden».