Radio: Das Kind im Verborgenen
SRF 2 Kultur lädt zur neuen Vormittagslesung. Zu hören ist Vincenzo Todiscos Roman «Das Eidechsenkind».
Inhalt
Kulturtipp 21/2021
Frank von Niederhäusern
Immer ist nur vom «Kind» die Rede. Es lebt in einer Arbeiterwohnung im Irgendwo der Deutschschweiz. Seine Eltern sind tagsüber in der Fabrik, dann hat das Kind die Wohnung für sich. Wenn aber Besuch kommt oder sogar der Padrone aufkreuzt, muss es sich sofort verstecken. Es ist eines jener «illegalen» Kinder italienischer Saisonniers, die in den 60er-Jahren zuhauf klandestin in der Schweiz lebten. Der Stanser Autor Vincenzo Todisco, selbst ein Kind v...
Immer ist nur vom «Kind» die Rede. Es lebt in einer Arbeiterwohnung im Irgendwo der Deutschschweiz. Seine Eltern sind tagsüber in der Fabrik, dann hat das Kind die Wohnung für sich. Wenn aber Besuch kommt oder sogar der Padrone aufkreuzt, muss es sich sofort verstecken. Es ist eines jener «illegalen» Kinder italienischer Saisonniers, die in den 60er-Jahren zuhauf klandestin in der Schweiz lebten. Der Stanser Autor Vincenzo Todisco, selbst ein Kind von Einwanderern, hat dem Schicksal dieser armen Geschöpfe seinen Roman «Das Eidechsenkind» gewidmet, mit dem er 2018 für den Schweizer Buchpreis nominiert war.
«Die Auswahl war subjektiv», sagt Susanne Janson, die den Roman nun für SRF 2 Kultur als Radiolesung adaptiert hat. Künftig sei nur noch eine Lesungs-Produktion pro Jahr vorgesehen, das Angebot also riesig. Für Todiscos Roman habe gesprochen, dass er nicht zu lang ist, gut sprechbar und einen ausgewählten Aspekt der neueren Schweizer Geschichte behandelt. Zudem musste der Text ins Sendeprogramm der verschiedenen SRF-Vektoren passen, also als Radiosendung und Podcast taugen. Dafür musste man den Text kürzen. «Aber nur leicht und in Zusammenarbeit mit dem Autor», betont Janson. Entstanden sind zehn Lesungen à 25 Minuten.
Auch bei der Suche nach der Sprechstimme gab es pragmatische Vorgaben. «Sie musste des Schweizerdeutschen und des Italienischen mächtig sein», erklärt Janson. «Zudem haben wir auf eine markante Stimme geachtet.» Linda Olsansky habe all diese Vorgaben erfüllt.
Die 1974 in Tschechien geborene, in der Schweiz aufgewachsene Schauspielerin ist tatsächlich eine gute Wahl, klingt ihre Stimme doch zart und klar wie die eines Kindes. Und so führt sie die Hörerinnen und Hörer in die Welt jenes behänden Eidechsenkindes, das sich in engsten Ritzen zu verstecken weiss. Das sich freut auf den alljährlichen Besuch bei der Nonna in Italien, von dort aber stets zurückkehrt in sein Schweizer Gefängnis. Bis sich Wesentliches ändert.
Das Eidechsenkind
Regie: Susanne Janson
Mo, 4.10.–Fr, 15.10.,
jeweils werktags 11.30 SRF 2 Kultur
Podcast: www.srf.ch/audio