Es entbehrt nicht einer leisen Ironie, dass der kommende «Hörpunkt»-Tag dem Thema «Retro» gewidmet ist. Denn das einzigartige Sendeformat von Radio SRF 2 Kultur hat offenbar selbst den «Retro»-Status erlangt und ist – um einen Teilbeitrag jenes Sendetages zu zitieren – «aus der Zeit gefallen».
Seit Januar 2004 wurde der 2. eines jeden Monats auf Radio DRS 2 und später SRF 2 Kultur zum «Hörpunkt»-Tag. Ab 11 Uhr gab es Beiträge zu einem bestimmten Thema aus unterschiedlichster Sicht- respektive Hörweise. Ab 17 Uhr wurde die Sendung wiederholt.
Mehrstündige Formate sind nicht mehr gefragt
Mit der «feinen Kunst des Erzählens und der Themenschärfung», so der Sendebeschrieb auf srf.ch, nahmen sich die jeweils aus Redaktoren und Experten formierten Sendemacher so komplexer Materien an wie «Wahnsinn Oper», «Märchenhaft» oder «Das Haus – Wohnform und Lebensgefühl». Spezialausgaben starteten zur «Real Live Roadshow» oder boten Integrallesungen, etwa von A.A. Milnes «Pu der Bär».
Doch nun, nach 15 Jahren, ist Schluss. Wie dem kulturtipp zu Ohren kam, stehen noch zwei «Hörpunkt»-Ausgaben an. Eine Nachfrage bei Barbara Gysi, Programmleiterin SRF 2 Kultur, schafft Klarheit. «Der ‹Hörpunkt› in seiner aktuellen Form entspricht nicht mehr den heutigen Nutzungsgewohnheiten», sagt sie und definiert diese Gewohnheiten auf Nachfrage etwas genauer. «Regelmässige mehrstündige Formate entsprechen nicht mehr der durchschnittlichen Hörernutzung.» Dies wisse man aus der Interpretation von Nutzungszahlen und aus qualitativen Hörer-Befragungen.
Auf den Hinweis, dass SRF-Kulturchef Stefan Charles erst kürzlich im Interview (kulturtipp 08/19) einen Programm-Abbau bei SRF 2 Kultur verneint habe, reagiert Barbara Gysi dezidiert. «Das ist kein Programm-Abbau. Wir überführen den ‹Hörpunkt› in eine bi- oder trimediale Form von Themenschwerpunkten.» Was derart schwammig klingt, soll sich ab Herbst konkretisieren. Laut Gysi bestehe eine Grundidee, die Ausgestaltung werde im Sommer entwickelt. «Zudem werden wir auch künftig längere Themenschwerpunkte realisieren, aber zu keinem fixen Termin, sondern nach Aktualität und wenn es thematisch Sinn macht.»
Fragt sich, warum das offenbar antiquierte Sendeformat gerade jetzt aufgehoben wird. «Der Zeitpunkt hängt mit dem Umzug der SRF-Kulturredaktionen ins neue Studio in Basel zusammen», erklärt Barbara Gysi. «Dort können die Teams intensiver und fachlich enger zusammenarbeiten.» Personell habe die Streichung keine Konsequenzen, betont sie, was von Bernard Senn, der den «Hörpunkt» seit 2008 leitet und koordiniert, auf Anfrage bestätigt wird.
Auf weitere Streichkandida-ten angesprochen, sagt Gysi: «Weiterentwicklungen von Sendungen gibt es laufend. Es gehört zu unserem Auftrag, das Programmangebot dauernd zu überprüfen und wo nötig, Änderungen vorzunehmen.» Man darf gespannt sein.
Die letzten zwei «Hörpunkte» auf Radio SRF 2 Kultur
So, 2.6., 11.00/17.00 Retro – das gute Gestern
Di, 2.7., 11.00/17.00 Der Mond