Ob nun endlich der Knoten platzt? Seit Jahren gilt Jesse Plemons als einer der besten Schauspieler seiner Generation. Das Problem: Man kennt zwar sein Gesicht, bloss seinen Namen hörte man ausserhalb von Film kreisen wenig.
Doch die Zeichen stehen auf Veränderung, spätestens seit Plemons – wie auch seine Gattin Kirsten Dunst – eine erste Oscarnomination für «The Power of the Dog» (2021) erhielt. Im Film von Jane Campion spielt Plemons einen Rancher aus den 1920ern, der sich gegen seinen intriganten Bruder (Benedict Cumberbatch) behaupten muss.
Zurückhaltung, Bedächtigkeit und eine stille Art der Vermurkstheit – es sind die Hauptmerkmale von Plemons’ Spiel. Manchmal wirkt das so extrem, dass es kaum zu ertragen ist. Im Episodenfilm «Kinds of Kind ness» von Yorgos Lanthimos («Poor Things») verkörpert Plemons wie alle Stars, so etwa auch Emma Stone und Willem Dafoe, drei völlig unterschiedliche Rollen. Einmal gibt er in dieser Satire auf menschliche Liebesbedürftigkeit den unterwürfigen Geschäftsmann, der auf Geheiss seines Chefs einen Fremden mit dem Auto von der Strasse schiessen soll. Wie sich diese Figur in psychischer Abhängigkeit verliert, grenzt fast an Tortur.
Gefeiert als «Meth Damon» in «Breaking Bad»
Auch der um seine Ehefrau trauernde Polizist und der Sektenanhänger in den beiden weiteren Episoden von «Kinds of Kindness» kreisen um das Thema Selbstaufopferung versus freier Wille. Am Filmfestival in Cannes gewann Plemons dafür den Preis als bester Hauptdarsteller. Höchste Zeit, sich seinen Namen zu merken, schliesslich arbeitete er ein Leben lang auf diese Karriere hin.
Geboren 1988 in Dallas trat Plemons bereits als Dreijähriger in Werbespots auf. Als er 10 Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Los Angeles, um seine Schauspielkarriere voranzutreiben. Für Schule blieb keine Zeit, den Highschool-Abschluss holte er später online nach.
Vor der Kamera erkannte Plemons bald, wie er seine sanfte Stimme zur Täuschung einsetzen konnte. Am treffendsten wohl in der letzten Staffel von «Breaking Bad» (2012/2013), wo er sich zum Crystal-Meth Handlanger hocharbeitet und dann kaltblütig einen minderjährigen Zeugen erschiesst. Wegen seiner Ähnlichkeit zu Matt Damon wurde Plemons darauf in Memes zu «Meth Damon» – auch das eine Art Adelung.
Und vielleicht ist es dieser Typ von grausamem Nerd, den der 36-Jährige am besten beherrscht. In einer der beliebtesten Episoden der Serie «Black Mirror» («USS Callister», 2017) spielt er einen Programmierer, der DNA Proben seiner Mitarbeiter verwendet, um diese in einer Science-FictionParallelwelt zu terrorisieren. Fieser gehts nicht.
Nur die Stimme und eine rote Brille
Oder zuletzt «Civil War»: In diesem Film, der vom nahenden Untergang der USA kündet, spielt Jesse Plemons einen rassistischen Partisanen, der im Bürgerkrieg alle umbringt, die in seinen Augen nicht echte Amerikaner sind. Um diesem Grauen ein Gesicht zu verleihen braucht Plemons ... seine Stimme und eine rote Brille. Sonst nichts.
Kinds of Kindness
Regie: Yorgos Lanthimos, UK/USA
2024, 164 Min., ab Do, 4.7., im Kino
Black Mirror / Breaking Bad / The Power of the Dog
Netflix
Civil War
Im Kino