«Renaud ist sehr gewissenhaft, er will alles herausfinden und lässt nie locker, bis er sich seiner Sache wirklich sicher ist. Und er ist ein sehr gefühlvoller Musiker, der jede Emotion auf seinem Instrument hervorbringen kann und alles tut, um sie einem Publikum mitzuteilen.» Das sagt einer, der Renaud Capuçon sehr gut kennt: sein Bruder, der Cellist Gautier Capuçon. Zusammen sind sie seit über 20 Jahren unzählige Male auf der ganzen Welt aufgetreten, nicht nur im Brahms-Doppelkonzert, sondern auch mit Kammermusik und namhaften Partnern wie Martha Argerich, Hélène Grimaud oder
Maria João Pires. Zusammen mit dem Pianisten Frank Braley haben sie ein Klaviertrio formiert, das ebenfalls weltweit Beachtung gefunden hat.
«Wir dürfen keine Spezialisten werden»
Tatsächlich will Capuçon alles tun, um verstanden zu werden: «Prendre l’auditeur par la main», sagt er dazu. Es ist ihm wichtig, dem Publikum mitzuteilen, was er in einem Musikstück denkt und fühlt. Entscheidende Voraussetzung dafür ist ein weiter Horizont: «Ein Musiker muss riesengrosse Ohren haben, und fähig sein, das aufzuspüren, was ihm liegt und womit er etwas aussagen kann. Da gehören auch Pop, Rock und Techno dazu. Das heisst nicht, dass man das mögen muss, aber man sollte eine Ahnung davon haben, was los ist in der musikalischen Welt», sagt der 43-jährige Geiger aus Chambéry. «Ich höre exzessiv klassische Musik aller Gattungen und aller Epochen, und ich tue es nicht, weil ich diese oder jene Interpretation kennenlernen will, sondern aus purem Vergnügen, ja Verlangen heraus.» Es liegt schon fast ein beschwörender Ton in der Stimme, wenn er erklärt, wie wichtig ihm die Vielseitigkeit ist: «Wir dürfen keine Spezialisten werden. Weder was die Stilrichtungen betrifft noch die Art des Zusammenspiels.» Für ihn sei eine Karriere ausschliesslich als Konzertgeiger undenkbar: «Wer keine Kammermusik spielt, dem fehlt ein wesentlicher und interessanter Teil des Musizierens.»
Capuçon, der zwei Jahre lang als Konzertmeister das Gustav Mahler Jugendorchester anführte, sieht es als grossen Vorteil, das Orchesterleben von innen kennengelernt zu haben. «Zudem war das Jugendorchester an sich schon ein unglaubliches Erlebnis, voller Engagement und Spannung und Begeisterung. Es war zwei Jahre lang ein grosses Fest der Musik, und ich habe Freunde fürs Leben gefunden.»
Die Verbindung zu Mozart
Auch wenn er nun 20 Jahre älter ist als die meisten Mitglieder, so kennt er die Atmosphäre im Orchester des Zermatt-Festivals bestens: Junge Talente werden vom Scharoun-Ensemble der Berliner Philharmoniker angeleitet und sowohl in Kammermusik wie Orchesterspiel weitergebildet. Capuçon, der am gleichen Tag wie Mozart Geburtstag hat, wird mit ihnen Mozarts berühmtes G-Dur-Violinkonzert KV 216 spielen. Mozart sei gleichermassen etwas vom Einfachsten wie vom Komplexesten, sagt der Geiger. «Natürlich, einfach ist es nie, aber seine Musik soll so natürlich fliessen wie Wasser.»
Konzert
Renaud Capuçon, Wolfram Brandl & Zermatt Festival Orchestra
Fr, 6.9., 19.30 St. Mauritius-Pfarrkirche Zermatt VS