Wie hört sich die Stille an? Die Stille von Schnee, die Stille eines schalldichten Raumes? Oliver Süess lässt uns in seinem Podcast «5 Minutes Of Silence» ganz genau hinhören. Der 33-Jährige macht seine persönliche Faszination für Stille und Lärm zum Konzept und ist nun für den Preis des Sonohr-Festivals nominiert. Damit habe er niemals gerechnet, sagt Süess am Telefon, nachdem er den lärmenden Staubsauger ausgemacht hat: «Die Rückmeldungen haben mich sehr berührt.»
Inspiriert zum Podcast wurde Oliver Süess durch sein eigenes Musik-Studio, das er sich in der hauseigenen Waschküche eingerichtet hat. Deshalb hören wir in der ersten Folge die Stille seiner Waschmaschine. Ein bisschen Humor, ein bisschen John Cage. Ergänzt wird das Format der Stille von philosophischen und wissenschaftlichen Überlegungen von Expertinnen und Experten zu Stille und Lärm. Die fünf Minuten jedoch werden für sich stehengelassen. Da ist bloss die Stille und das Wissen, dass das Mikrofon jetzt gerade auf eine Waschmaschine gerichtet ist. Man wartet, hört richtig gut hin. Ist da ein Rauschen, eine Sirene in weiter Ferne? Hört man etwas – bei ihm, bei sich, ist es nur Einbildung? Ist das meditative Selbstfürsorge oder bloss ironisches Hörvergnügen? Eine Anleitung, womit man sich auseinandersetzen soll, ob man die Gedanken schweifen lassen soll oder nicht, gibt es nicht. «Einfach nur hinhören, mehr braucht es nicht», sagt Süess.
Audiospezialist Süess tüftelt im eigenen Studio
Dass der Podcast auf Englisch aufgenommen wird, liegt an Süess’ Zweisprachigkeit und seiner eigenen Vorliebe für englische Podcasts, «aber natürlich möchte ich dieses Thema auch für ein möglichst breites Publikum produzieren». Der Projektleiter und Audiospezialist tüftelt und bastelt seit Jahren im privaten Soundstudio. «Ich schreibe keine Musik, ich lasse sie geschehen», sagt er. Alles, was im Podcast zu hören ist – neben den 5 Minuten Stille –, ist selbst kreiert. Und jede Stille wird in einer professionellen Ernsthaftigkeit aufgenommen. Die Liste von Ideen, von Orten und Objekten werde immer länger – auch dank den Hörer-Rückmeldungen.
Süess’ Podcast ist einer von 17 Nominierten für den Wettbewerb: Die kuratierte Werkschau der besten Schweizer Produktionen ist in diesem Jahr verteilt auf sieben lokale Radiosender in der ganzen Schweiz zu hören. Daneben findet sich ein Programm mit Workshops, Live-Veranstaltungen und experimentellen Produktionen.
Stille war im letzten Jahr noch kein Thema am Sonohr in Bern. Es gab ausverkaufte Kinosäle, laute Live-Performances, gemeinsames Singen. Ein Festival, wie man es kannte. Volle Publikumsränge wird es heuer nicht geben, das Festival findet digital statt. «Wir werden die physisch anwesenden Gäste vermissen», sagt Festival- Co-Leiterin Bettina Rychener, «aber wir werden unserem Publikum viele Hör-Erlebnisse bieten können. Zu Hause, am Radio, draussen oder online.»
So werden teilweise Höranleitungen zu den Stücken mitgeliefert. Für die Produktion «Tankstelle» des deutschen Komponisten und Filmmusikers Elias Gottstein zum Beispiel soll man sich an eine Tankstelle in seiner Nähe begeben. «Atme tief ein, beobachte das Geschehen ein Weilchen, bevor du das Stück startest.» Für die Zuhörer entsteht so – wo auch immer sie mitmachen – eine einzigartige und einmalige Hörsituation.
Aus der Performance wird ein interaktives Hörstück
Im vielseitigen Programm findet sich auch «Das Uhu-Experiment», das normalerweise als interaktive Live-Performance auf die Bühnen kommt. Eine Mischung aus Hörspiel, improvisiertem Theater und Philosophie-Experiment. Regisseurin und Schauspielerin Diana Rojas-Feile und der Komponist und Performer Victor Moser setzen sich darin mit dem Lügen auseinander. Sie verhandeln Fragen, wie oft man lügt und weshalb, ob man lügen soll, um Verletzungen zu ersparen, um andere zu schützen.
Für das Sonohr haben Rojas-Feile und Moser die Bühnenversion ihres Uhu-Experiments in eine digitale Form gegossen. Die beiden fungieren als Moderationsteam, welches das Publikum durch eine Mischung aus fiktionalem Hörspiel, dokumentarischen Einspielern und intimem Austausch führt. Die Performance wurde bereits bei ihrer Entstehung 2019 interaktiv angelegt – und sie wird nun im digitalen Raum so weitergeführt. «Es gibt keinen Mitmach-Zwang», betont Rojas-Feile. Man könne auch einfach bloss beobachten. «Unsere Erfahrung aus den letzten Jahren hat jedoch gezeigt, dass die Leute Lust bekommen, zum Thema Lüge mitzureden und mitzudenken.» Diese Erfahrungen hätten sich auch bei den digitalen Testläufen im Januar bestätigt. Inhaltlich hat das Team viele Punkte beibehalten, und daneben mit einer Expertin für digitale Interaktion die Möglichkeiten der Form ausgelotet. Ein Zoom-Live-Hörspiel ist entstanden, das auch online ein gemeinsames Erleben möglich macht.
11. Sonohr Radio & Podcast Festival
Fr, 26.2.–So, 28.2.
www.sonohr.ch