Mit 22 hatte er genug. Trotz inniger Liebe zu Familie, Freunden und seiner Heimatstadt verliess Pippo Pollina 1985 Palermo, Sizilien, Italien. Er hatte es nicht mehr ausgehalten, wie seine Stadt im mafiösen Blut, sein Land im korrupten Sumpf versank. «Im Weitergehen auf deinem Weg wirst du frieren an den Händen», heisst es in seinem Lied «Caminando», mit dem er an seine Flucht in den Norden anspielt, an sein Leben seither, das er als ständige Reise sieht. Auch im Positiven, denn er singt weiter: «Zieh dir Handschuhe an und schau dem Morgen ins Gesicht.»
Analyse privater und politischer Hintergründe
Seine Karriere hat dem heute 54-jährigen Cantautore manch frostigen Morgen beschert. Stets aber hatte er Handschuhe griffbereit oder dargeboten, wie er nun in seinem Buch schreibt. «Verse für die Freiheit» ist ein Werkstattbericht zur Entstehung seiner bisher 16 Studioalben. Eine gescheite Analyse auch der privaten, zeitgeschichtlichen und politischen Hintergründe, die das bewegte Leben dieses stets Vorwärtsdrängenden prägen. «Wie so oft blieb mir nichts anderes übrig, als die Ärmel hochzukrempeln», schreibt er an einer Stelle. Bei der Lektüre staunt man ob der epischen Eloquenz des ansonsten lakonischen Lyrikers. «Verse für die Freiheit» liest sich – aus dem Italienischen übersetzt von Andrea Briel – wie ein süffiger Roman.
Nach seiner Flucht aus Palermo, wo er 1963 geboren ist, arbeitete Pollina als Strassenmusiker, bis er sich 1986 in Luzern niederliess. Als offener Mensch machte er viele Bekanntschaften, die seine verblüffende Karriere prägten. Er musizierte mit Konstantin Wecker oder Charlie Mariano, wurde gefördert von hellhörigen Produzenten – und geliebt von einem stetig wachsenden Publikum. Heute gibt Pollina Konzerte im Zürcher Hallenstadion oder im Teatro Massimo von Palermo. Am liebsten sind ihm nach wie vor Kleinkunstbühnen.
Pollina schreibt offen über Zweifel, Rückschläge, Richtungsänderungen, macht biografische Krisen an zeitgeschichtlichen Wegmarken fest, erläutert seine persönliche Entwicklung anhand sich wandelnder Markt-Mechanismen, schildert liebevoll die Szenen in Italien und der Schweiz. Wunderbar, wenn er anekdotenhaft von seinen Besuchen bei Georges Moustaki in Paris erzählt, den Aufnahmen in den Londoner Abbey-Road-Studios oder von seinen Kindern Julian und Madlaina, die ebenfalls zur Musik gefunden haben.
Der Aufbau des Buches folgt chronologisch Pollinas Alben von «Aspettando che sia mattino» (1987) bis «Il sole che verrà» (2017) und versammelt alle Liedtexte in italienisch und deutsch. Auf seiner aktuellen Clubtournee liest Pollina aus seinem Buch, das sich zusammenfassen lässt mit einer weiteren Zeile aus «Caminando»: «Im Weitergehen auf deinem Weg wirst du dein Menschsein entdecken.»
Konzerte/Lesungen
Mi, 21.3., 20.45 Teatro Sociale Bellinzona
Do, 22.3., 20.15 Rex Pfäffikon ZH
Fr, 23.3., 20.15 Chällertheater Wil SG
So, 25.3., 17.00 Kulturschopf Feldbach ZH
Buch
Pippo Pollina
Verse für die Freiheit
392 S., aus dem Italienischen von Andrea Briel
(Rotpunkt Verlag 2018)