Pierre-Auguste Renoir - Lustvolle Fantasien  in der Gesellschaft von Frauen
Das Kunstmuseum Basel zeigt Gemälde aus der frühen Phase des französischen Impressionisten Pierre-Auguste Renoir – «Zwischen Bohème und Bourgeoisie».
Inhalt
Kulturtipp 07/2012
Rolf Hürzeler
Kein Mensch badete damals nackt in der Öffentlichkeit. Doch der Künstler Pierre-Auguste Renoir lockte 1876 mit seinem Modell Margot Legrande den Betrachter (siehe Bild rechts). Das hüllenlose Badevergnügen soll in La Grenouillère an der Seine stattgefunden haben, heute am westlichen Stadtrand von Paris gelegen, damals ein Ort der Sommerfrische. Dieses Bild illustriert trefflich die lustvolle Fantasiewelt, die der französische Maler mit seinen Werken schuf....
Kein Mensch badete damals nackt in der Öffentlichkeit. Doch der Künstler Pierre-Auguste Renoir lockte 1876 mit seinem Modell Margot Legrande den Betrachter (siehe Bild rechts). Das hüllenlose Badevergnügen soll in La Grenouillère an der Seine stattgefunden haben, heute am westlichen Stadtrand von Paris gelegen, damals ein Ort der Sommerfrische. Dieses Bild illustriert trefflich die lustvolle Fantasiewelt, die der französische Maler mit seinen Werken schuf.
Renoirs «Baigneuse» ist in der neuen Ausstellung im Basler Kunstmuseum zu sehen. Die Schau zeigt 50 Werke des Impressionisten der ersten Stunde.
Die schöne Nackte erquickte die Betrachter vor 150 Jahren nicht nur wegen ihrer Sinnlichkeit und der künstlerischen Qualität von Renoirs Maltechnik. Auf heute übertragen, hatte die «Badende» damals einen ähnlichen Stellenwert, wie eine Halbnackte, die für den Besuch eines Wellnesscenters wirbt. Denn das Modell symbolisiert Wohlbefinden und Glück bei sorgenfreiem Badevergnügen. Das aufstrebende französische Bürgertum sehnte sich geradezu nach Renoirs Fantasien.
Erquickend reizvoll
«Seine nackten Frauen verweisen auf eine Art natürliches, erotisiertes bürgerliches Patriarchat mit klarer häuslicher Ordnung», schreibt der US-amerikanische Kunsthistoriker Robert Baldwin. «Renoirs Frauen sind zufrieden, warmherzig und sinnlich; sie erfreuen sich ihrer Sexualität und Fortpflanzung.» Baldwin zitiert den Künstler mit den Worten: «Frauen stellen nichts infrage, in ihrer Gesellschaft erscheint uns die Welt angenehm einfach.» Dafür erachtete Renoir «Schriftstellerinnen, Juristinnen und Politikerinnen wie George Sand als Monster». Die «Badende» ist dies nicht, sie ist vielmehr ein Wesen, welches das Herz erwärmt.
Pierre-Auguste Renoir entstammte einer verarmten kinderreichen Familie in Limoges. Er musste sich schon früh als Porzellanmaler durchschlagen. Dank des Studiums beim Schweizer Maler Charles Gleyre kam er in Kontakt mit Künstlerkreisen, darunter Claude Monet und Alfred Sisley. Die beiden wollten der Kunst einen neuen Stellenwert verleihen. Der Augenblick musste ihre Werke prägen mit einer raffiniert präzisen Pinseltechnik.
Bei Renoir verband sich diese moderne Maltechnik mit der konservativen Weltanschauung des Aufsteigers. Der Maler suchte gesellschaftliche Anerkennung: Dazu gehörte, dass er seine Werke im «Pariser Salon» zeigen konnte, der jährlichen Schau zeitgenössischer Kunst der Obrigkeit. Sie erkannte, dass Renoir ein hervorragender Künstler, ein Maltechniker von ausserordentlicher Qualität war.
Die idealisierte Welt
Das Establishment schätzte ihn aber auch als meisterhaften Darsteller einer idealisierten Welt, in der die gesellschaftliche Ordnung klar ist. Ganz im Sinn des damaligen Herrschers Napoléon III.
Das Bild «Marine» (siehe oben) zeigt einen Küstenabschnitt in der Normandie bei Dieppe. Ende der 1870er-Jahre residierte Renoir bei seinem Mäzen Paul Bérard, einem Bankier. Renoir malte dort Porträts der Familienmitglieder. Und er durchstreifte die unberührte Landschaft, die damals Symbol für den Freizeitspass der arrivierten Franzosen war. Es galt als chic, sich der Natur hinzugeben. Wer es sich leisten konnte, entfloh der Stadt an drückenden Tagen mit der Eisenbahn. «Ein ewiger Urlaub» durchziehe das Werk Renoirs, schreibt Kunsthistoriker Baldwin. «Da sind alle sozialen Klassen glücklich und zufrieden in ihrer unendlichen Freizeit.»
Ist dies das Bild eines Propagandisten des neu etablierten Bürgertums? Es ist jedenfalls das Werk eines Überangepassten, der nur die schönen Seiten des Lebens zeigen wollte. Es sei dahingestellt, ob sich Renoir Gedanken machte über die politischen Verhältnisse seiner Zeit. Er liebte eine schöne, ordentliche Welt, wie sie der Betrachter von «Marine» erkennt. Das Landschaftsbild ist damit ein typisches Gemälde des Malers, der den Aufstieg aus bescheidenem Milieu zum Millionär schaffte – und je nach Quelle zwischen 4000 bis 6000 Bilder hinterliess.
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
1841 in Limoges geboren, wuchs Pierre-Auguste Renoir in Paris auf. Der anerkannte Porzellanmaler studierte ab 1861 beim Schweizer Maler Charles Gleyre, 1864 kann er erstmals ein Bild im Pariser Salon zeigen. Renoir zog 1870/71 freiwillig in den deutsch-französischen Krieg. Danach arbeitete er mit seinen Freunden Claude Monet und Alfred Sisley. Mitte der 1870er-Jahre schaffte er den kommerziellen Durchbruch und brach später zu grossen Reisen auf nach Algerien und Italien. Er starb 1919 im Alter von 78 Jahren als renommierter Künstler.