kulturtipp: Mit Ihrem Amstantritt haben Sie eine dreimonatige Interview-Sperre angekündigt. Die ist nun um: Wie lautet Ihre erste Bilanz?
Philippe Bischof: Ich weiss nun noch besser, weshalb mich diese Stelle so gereizt hat. Pro Helvetia lebt die wunderbare Idee, das herausragende Schweizer Kulturschaffen im In- und Ausland zu fördern und zu verbreiten.
Das klingt euphorisch.
Ja, meine inhaltlichen Erwartungen haben sich bisher mehr als erfüllt. Dass wir Schweizer Kulturproduzenten ein internationales Wirkungsfeld ermöglichen können, empfinde ich als sehr bereichernd.
Bis anhin waren Sie Kulturförderer in Basel …
… und dort schon national engagiert. Nun aber bewege ich mich in einem deutlich erweiterten Wirkungsraum.
Das heisst, Sie sind zum Vielflieger geworden?
Meine ersten drei Monate verbrachte ich mehrheitlich in Zürich. Ich wollte die Mitarbeitenden und die Dossiers kennenlernen. Künftig aber werde ich öfters auf Reisen sein.
Sie haben 103 Mitbewerber ausgestochen. Womit haben Sie den Stiftungsrat überzeugt?
Das war wohl die Verbindung aus Erfahrung, meiner Analyse der Stiftung und den präsentierten inhaltlichen und betrieblichen Zielen.
Das heisst: Sie haben ein überzeugendes Neukonzept präsentiert?
Ein Neukonzept von aussen zu verfassen, wäre unangebracht. Ich habe aber Ideen und Prioritäten präsentiert.
Zum Beispiel?
Die Digitalisierung und ihre Folgen auf betrieblicher wie auf inhaltlicher Ebene. Der Umgang der Kulturförderung mit technologischen Entwicklungen. Oder die Bedeutung des Zusammenspiels von Kultur und Gesellschaft. Pro Helvetia hat einige dieser Fragen schon bisher berücksichtigt, sie wer-den uns aber künftig verstärkt prägen.
Sie sind ein Theatermensch. Müssen Sie nun Ihren kulturellen Horizont erweitern?
Ich war schon in Basel für alle Sparten zuständig, es kommen aber neue Bereiche wie Games und Design dazu. Genau dies macht den Reiz der neuen Aufgabe aus. Ich habe täglich mit Menschen zu tun, die mir ihre kreative Seelen offenlegen. Das ist eine grosse Bereicherung.
Erklären Sie uns Ihr aktuellstes Projekt «Crossroads».
Diese Veranstaltung führen wir mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, DEZA, durch. An einer Konferenz an der Universität Basel geht es um Fragen zum Kulturaustausch und zur Kulturförderung im internationalen Kontext. An Veranstaltungen in der Kaserne Basel und am Festival Antigel in Genf kann man von uns geförderte Projekte mit Kunstschaffenden aus der Schweiz und dem Ausland erleben.
Wir leben in Zeiten der globalen digitalen Vernetzung. Ist Pro Helvetia als instutionelle Ver- netzerin überhaupt noch zeitgemäss?
Unbedingt! Es gibt keine Institution ausser Pro Helvetia, die konstant die Verbreitung von Schweizer Kultur im Ausland fördert. Wir haben Fachleute vor Ort, die Kontakte herstellen und für deren Kontinuität sorgen können: Etwa wenn das Buch eines Schweizer Autors ins Portugiesische übersetzt wird und er eine Lesereise durch Südamerika macht. Pro Helvetia unterstützt internationale Gastspiele oder Tourneen finanziell. Hauptziel ist die Ausweitung des kulturellen Wirkungsraumes der Schweiz.
Pro Helvetia kuratiert die Schweizer Teilnahme an der Biennale d’Arte di Venezia oder den Betrieb des Centre culturel suisse in Paris. Inwiefern belasten diese grossen Brocken Ihr Alltagsgeschäft?
Nicht mehr als andere Vorhaben. Das sind zwei prominente Projekte, eine Veranstaltung und eine Institution, die personell gesondert betreut werden. Unser weitläufiges Tätigkeitsfeld ist intern klar strukturiert, und wir haben ausgezeichnete Mitarbeitende. Meine Hauptaufgabe ist die strategische Gesamtführung der Stiftung.
Eine grosse Verantwortung letztlich auch der Politik und der Schweizer Bevölkerung gegenüber?
Es mag pathetisch klingen, aber ich erachte meine Aufgabe als bewegend. Weil ich tief überzeugt bin vom Sinn und der Notwendigkeit von Kultur für jede Gesellschaft, die sich humanistisch und demokratisch nennt. Es ist zuweilen anspruchsvoll, diese Bedeutung den Leuten klarzumachen. Aber niemals belastend.
Überall wird gespart. Hat die Politik bereits versucht, Ihnen auf die Finger zu klopfen?
Pro Helvetia hält ihr Budget seit Jahren akribisch ein. Dennoch gab es kleinere Sparrunden. Natürlich versuchen wir, unser aktuelles Budget zu sichern. Und ich kann zu meiner Freude täglich erfahren, dass Pro Helvetia einen sehr guten Ruf hat – nicht zuletzt dank unseres Status als zwar staatlich finanzierte, aber autonome Stiftung.
Wie hat sich die Kulturförderung in den letzten Jahren verändert?
Der Legitimationsdruck von Institutionen wird stärker. Gleichzeitig haben sich die Kulturangebote internationalisiert, quantitativ potenziert, durchmischt und erneuert. Die kulturellen Parameter verändern sich stetig, Werte werden neu verhandelt, was unsere Fördertätigkeit anspruchsvoller macht.
Wie sieht Ihr privates kulturelles Leben und Engagement aus?
Ich schlafe lieber eine Stunde weniger, um dafür noch etwas zu lesen. Mich interessiert Kultur in ihrer ganzen Breite: Neue und elektronische Musik, bildende und installative Kunst, Performance. Das Theater kommt im Moment etwas zu kurz, weil ich ja neue Sparten kennenlernen will – wie etwa Games. Doch wenn ich, wie kürzlich, in Berlin bin, gehört ein Besuch der Volksbühne einfach dazu. Kultur ist für mich tägliche Nahrung.
Crossroads
Do, 8.2.–Sa, 10.2.
Universität, Jazzcampus, Kaserne Basel und Festival Antigel Genf
www.prohelvetia.ch/crossroads
Pro Helvetia
Im Auftrag des Bundes unterstützt die autonome Stiftung Pro Helvetia seit 1939 den Kulturaustausch zwischen den Landesregionen und verbreitet Schweizer Kunst und Kultur im Ausland. Mit eigenen Initiativen lanciert sie kulturelle Impulse. Geschäftssitz ist Zürich, in Paris betreibt Pro Helvetia das Centre culturel suisse, eigene Institute in Rom, Mailand, New York sowie Büros in San Francisco, Kairo, Johannesburg, Neu-Delhi, Schanghai und Moskau. Pro Helvetia beschäftigt 94 Mitarbeitende und verwaltet ein Budget von rund 40 Millionen Franken.