Per Petterson Im Groove der Sixties
Im Roman «Ist schon in Ordnung» <br />
von 1992, der erstmals auf Deutsch erscheint, beschreibt Per Petterson eine Jugend in einem Arbeiterviertel in Oslo in den späten 60ern.
Inhalt
Kulturtipp 21/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
«Ist schon in Ordnung», pflegt der 18-jährige Audun zu sagen, und straft damit seinen Familienverhältnissen Lügen: Sein Vater ist ein prügelnder Alkoholiker, vor dem die Familie vom Land in ein trostloses Osloer Aussenquartier geflüchtet ist. Sein Bruder ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, seine Schwester hat ein Kind mit einem James-Dean-Verschnitt, mit dem sie aber nicht richtig glücklich ist. Und die Mutter ist damit besch&a...
«Ist schon in Ordnung», pflegt der 18-jährige Audun zu sagen, und straft damit seinen Familienverhältnissen Lügen: Sein Vater ist ein prügelnder Alkoholiker, vor dem die Familie vom Land in ein trostloses Osloer Aussenquartier geflüchtet ist. Sein Bruder ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, seine Schwester hat ein Kind mit einem James-Dean-Verschnitt, mit dem sie aber nicht richtig glücklich ist. Und die Mutter ist damit beschäftigt, den Lebensunterhalt zu verdienen und Opernarien zu hören. Alles in allem ist also gar nichts in Ordnung, wenn da nicht ein paar Menschen wären, die es gut meinen mit Audun. Zum Beispiel der alte Arbeiter Abrahamsen, der ihn nach einer Prügelei zum Arzt fährt und ihn mit den Worten aufmuntert: «Weisst du, Audun, es gibt so vieles auf dieser Welt. Nicht nur das Hier und Jetzt.» Oder sein Freund Arvid, mit dem er sich über Musik, Bücher und Politik unterhält, durch die Kneipen zieht und bei dessen Familie er Halt findet. Der Groove der späten 60er ist überall spürbar: Jimi Hendrix, Bob Dylan und ein cooles Sixties-Outfit verhelfen dem Protagonisten zu einer passablen Jugend. Trost findet Audun auch in der Literatur: Er möchte selbst Schriftsteller werden, schmeisst aber kurz vor dem Abschluss das Gymnasium, um sich als Arbeiter in einer Druckerei durchzuschlagen. Aber auch hier herrschen strenge Hierarchien und das Faustrecht.
Trotz schwerem Stoff fehlt der Humor nicht, und es wohnt bereits diesem Text, der in der norwegischen Originalausgabe 1992 erschienen ist, eine Leichtigkeit inne, die Per Pettersons Nachfolgewerken eigen ist. Insbesondere mit dem Roman «Pferde stehlen» (2003) ist der 1952 geborene Autor auch im deutschsprachigen Raum bekannt geworden, und es folgten Übersetzungen seiner früheren Werke. «Ist schon in Ordnung» kommt zwar nicht an «Pferde stehlen» heran, das in seiner ruhig dahin fliessenden, kraftvollen Sprache seinen ganz eigenen Reiz entfaltet. Aber Pettersons feine Beobachtungen über die Adoleszenz eines jungen Mannes, der sich nicht unterkriegen lässt – komme, was wolle –, lohnen die Lektüre alleweil.
[Buch]
Per Petterson
Ist schon in Ordnung
Aus dem Norwegischen von
Ina Kronenberger
218 Seiten
(Hanser 2011).
[/Buch]