Patrizia Keller hat gewarnt: Es könnte laut werden. Immerhin dauert es etwas, bis die Bohrmaschine an diesem Morgen ein erstes Mal heulend das Gespräch unterbricht. Knapp zwei Wochen vor der Neueröffnung des Kunstraums im aargauischen Baden montieren Elektriker im Ausstellungsraum noch Steckdosen. Währenddessen hat sich Keller in der Lounge des Foyers hingesetzt. Der plötzliche Einsatz der Bohrmaschine bringt sie zum Lachen. Kein Umzug ohne Lärm.
Anfang Jahr ist der Kunstraum Baden ins Merker-Areal gezogen und hat mit Keller eine neue Leiterin bekommen. Für die Kuratorin eine einmalige Chance: «Das gibt es fast nie, dass man eine etablierte Institution übernehmen und an einem neuen Ort auf- und ausbauen kann – das ist wie eine Spielwiese.»
«Ich will mir eine eigene Nische schaffen»
Den doppelten Neuanfang hat Keller denn auch bewusst zum Thema ihres ersten Ausstellungs- projekts «einziehen umräumen» gemacht. Vier künstlerische Positionen werden den Ort bis im Dezember nach und nach bespielen. Es gehe darum, den Raum und das Areal zu erkunden und auszutesten, so die Kuratorin. Mitarbeiter, Künstlerinnen und Besucher sollen sich an diesem Prozess der Identitätsfindung beteiligen.
Der Gebäudekomplex aus dem 19. Jahrhundert ist seit dem Ende der Waschmaschinenproduktion zu einem wichtigen Kultur- und Gewerbeort der Stadt geworden. Der Kunstraum Baden wiederum spielt seit 1968 eine bedeutende Rolle in der Kulturvermittlung. Und in der Karriere der Kunsthistorikerin. Hier fand sie als Studentin ihren ersten Job. Damals entdeckte sie, was sie am Kuratieren besonders reizt: der rege Austausch mit den Künstlerinnen.
Im Ausstellungsraum klappert jetzt eine Leiter, eine Zange schnappt zu, dann sirren Ka- belbinder. Das Gespräch dreht sich derweil um die lokale Kulturszene und um Herausforde- rungen und Möglichkeiten kleiner Kunstinstitutionen. Keller war schon stellvertretende Leiterin im Nidwaldner Museum, zuletzt kuratierte sie als freischaffende Kunsthistorikerin unter anderem die Kunsthalle Arbon. «Gerade was die zeitgenössische Kunst angeht, kann man sich an einem Ort wie dem Kunstraum Baden eine eigene Nische schaffen, weil man eben auch auf eine eigene Geschichte zurückgreifen kann.»
Patrizia Keller betritt jetzt kurz den Ausstellungsraum, zeigt auf Holzplatten, die Teil einer Farbinstallation des Kollektivs Relax werden. Und spricht über die grossen Fabrikfenster, welche die Künstlerin Leila Peacock nach und nach bemalt. Gerade erzählt sie von Christoph Brünggels Klanginstallation, die mit den Besucherinnen und Besuchern interagieren wird – da heult erneut die Bohrmaschine auf. Nicht mehr lange, und der Raum gehört ganz der Kunst.
einziehen umräumen
Sa, 25.5.–So, 1.12.
Kunstraum Baden AG
Patrizia Kellers Kulturtipps
Ausstellung: Edit Oderbolz – I Have No Roots in This Life
«Edit Oderbolz’ feinsinnigen Umgang mit Raum und Architektur schätze ich sehr. Sie schafft es, mit einfachen Gesten unseren eigenen Blick zu schärfen.»
So, 9.6.–So, 21.7.
Kunsthalle Arbon TG
Buch: Liv Strömquist: Der Ursprung der Liebe (avant 2018)
«Den Comic hat mir eine Freundin geschenkt. Die schwedische Politikwissenschafterin und Comic- Künstlerin Liv Strömquist geht gesellschaftskritisch und humorvoll der omnipräsenten Frage der Liebe nach.»
DVD: Kafka (Polyband 2024)
«Verschachtelt erzählt und nicht auf die Perspektive ihrer Hauptfigur beschränkt, erzählt die Serie mit Joel Basman von Kafkas Leben.»