Der September wird ziemlich anstrengend werden für ihn, und schon jetzt steckt der Kontrabassist und Klangtüftler Patrick Kessler bis über beide Ohren in der Arbeit. «Der Aufwand ist riesig», sagt der 53-Jährige im Gespräch am Dorfplatz der Ausserrhoder Gemeinde Gais über das kommende Festival «Klang Moor Schopfe» für audiovisuelle Kunst. Und macht gleichwohl einen entspannten Eindruck. Man spürt seine Vorfreude. Und jene Experimentierlust, die diesen Musiker vor allem anderen auszeichnet.
Sie hat sich schon in vielerlei Projekten niedergeschlagen. Etwa im Chuchchepati Orchestra, benannt nach einem Stadtteil von Kathmandu. Chuchchepati, das bedeutet: Horizont, und so bricht diese «Working Band» mit ihren trichterförmigen, auch aus Nepal stammenden Lautsprechern gern zu neuen Klang-Horizonten auf. Am Musikfestival Bern etwa setzt Kessler zusammen mit dem Schlagzeuger Julian Sartorius und Ludwig Berger (Feldaufnahmen und Klangregie) in der Dampfzentrale zum «Hummelflug» an. «Der Rekord für die 106 Takte von Nikolai Rimski-Korsakows Virtuosenstück liegt bei 58 Sekunden», erzählt er. «Wir dagegen spielen pro Konzert nur gerade einen Takt.» Mit anderen Worten: Diese Hummel wird radikal verlangsamt und zusammen mit Feld- und Laboraufnahmen von Insekten zu einer Hommage an die bedrohte Welt der kleinen Lebewesen.
Eine Landschaft, die grosse Ruhe ausstrahlt
Auch «Klang Moor Schopfe» verknüpft Natur und Kultur auf einzigartige Weise, denn Schauplatz dieses von Kessler ins Leben gerufenen Festivals ist der Randbereich des Gaiser Hochmoors – eine Landschaft, die eine grosse Ruhe ausstrahlt. «Hier ganz in der Nähe wohne ich», sagt Kessler, als wir beim Schützenhaus eintreffen, wo die Konzerte stattfinden werden. «Mir sind diese kleinen Schöpfe aufgefallen, in denen früher die Bauern im Sommer ihr Vieh untergebracht haben. Jetzt stehen sie leer.»
Doch nicht mehr lange: Elf Riedgras-Scheunen werden von Künstlern aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Japan, den Niederlanden und Belgien audiovisuell bespielt. Das Publikum aber kann nach Belieben von Scheune zu Scheune schlendern. Und mitverfolgen, wie im Schopf des Bioakustikers Marcus Maeder der Wolkenhimmel in Töne verwandelt wird, oder wie bei Benoît Renaudin 100 Blockflöten erklingen. Die Wiener Künstlerin Billy Roisz hat darum gebeten, dass das Güllefass drin bleibt. «Ich weiss nicht, was sie damit vorhat.» Für die Besucher aus nah und fern ist «Klang Moor Schopfe» eine Einladung zu «einer Art Schatzsuche», sagt Patrick Kessler. «Auch Familien mit Kindern haben ihre Freude daran.»
Hummelflug
Mi, 1.9., 21.00 & 22.00
Dampfzentrale Bern
www.musikfestivalbern.ch
Klang Moor Schopfe
Festival für audiovisuelle Kunst
im Hochmoor Gais AR
Do, 2.9.–So, 12.9.
www.klangmoorschopfe.ch
Patrick Kesslers Kulturtipps
Kunst
Kunstgiesserei Sitterwerk, St. Gallen
«Im St. Galler Sittertobel werden Plastiken produziert. Es gibt hier eine Kunstbibliothek, ein Werkstoffarchiv und ein Atelierhaus, in dem sich Kunst und Handwerk durchdringen.»
Vinyl
OOR Plattenladen, Zürich
«‹One’s own room records› will experimentelles Soundschaffen auf Vinyl, Editionen und Publikationen unabhängiger Labels und Verlage vermitteln.»
Festival
Robert Walser und die Musik
Do, 16.9.–So, 19.9.
«Der Verein ‹Neue Musik Rümlingen› besucht das Appenzell. Die in Appenzell, Herisau und Trogen sowie auf literarischen Spaziergängen aufgeführten Werke beziehen sich auf die Texte von Robert Walser.»