Auf den bunt schillernden Ostereiern im Liechtensteinischen Landesmuseum tummeln sich die Hasen überall: in Scherenschnittform unter knorrigen Bäumen, vermenschlicht im roten Frack mit einem Blumenstrauss in der Hand oder naturalistisch in der Frühlingswiese. Meister Lampe hat seinen grossen Auftritt in der Osterausstellung in Vaduz. Zahlreiche Eier von Hühnern, Enten und Wachteln oder aus Karton, Blech und Glas, mit Hasenmotiven bemalt, beklebt und geritzt, laden ein zu einer kulturhistorischen Spurensuche.
So erfährt das Publikum hier etwa, dass der Hase im frühen Christentum für einen Menschen stand, der zum Glauben kommt. Bereits mittelalterliche Handschriften zur Osterliturgie zeigen Darstellungen mit Hasen, die auch als Symbol für den auferstandenen Christus und das neue Leben galten. Das Ei wiederum symbolisiert Fruchtbarkeit, Wiedererwachen und Lebensbeginn.
Hase hatte Konkurrenz von Fuchs und Kuckuck
Rasch fanden Hase und Ei auch einen Weg in die Alltagskultur: 1678 ist erstmals von der Geschichte des Eier versteckenden Osterhasen die Rede, die man «schlichteren Gemütern und Kindern aufbindet», wie die Vaduzer Ausstellung zeigt. Rund 100 Jahre später hoppelte das Ostertier auch in die Schweiz.
Eine Illustration im Buch «National-Kinderlieder für die Zürchersche Jugend» von 1789 zeigt Kinder beim Eiersuchen, während der Hase am Bildrand hervorguckt. «Der Osterhase ist eine bürgerliche Figur», sagt Mischa Gallati, Dozent für Populäre Kulturen an der Universität Zürich. «Er gilt als fleissig und hat sich im 18. Jahrhundert, als das Bürgertum entstand und die Kernfamilie wichtig wurde, gegen andere Osterfiguren wie den Fuchs, den Esel oder den Kuckuck durchgesetzt.»
Er symbolisiere den Frühlingsanfang und die Fruchtbarkeit, eigne sich aber als Projektionsfläche für vieles. Und nicht zuletzt habe das Langohr mithilfe der Konditoren das Rennen gemacht: «Den Schoggihasen gibts seit dem 19. Jahrhundert – mit seiner rundlichen Form und den langen Ohren ist er eine ikonische Figur, die sich gut für die spätere Massenproduktion in der Süsswarenindustrie eignete.» Auch beim Ei ortet Mischa Gallati nebst der religiösen Komponente eine ökonomische:
«Als die Fastenzeit vorbei war, hatte man früher einen Überschuss an Eiern, was zur Etablierung als Ostersymbol beigetragen hat.» Ohnehin hat sich das Osterfest über die Jahrhunderte wie Weihnachten säkularisiert. In den Läden stapeln sich die österlichen Süssigkeiten schon Wochen im Voraus. «Wenn man es traditionell religiös deutet, ist es ja tatsächlich ein Fest des Überflusses: Das Fasten ist vorbei, der Frühling kommt, und das Leben lockt. Diese Seite des Fests kommt unserer Hyper-Konsumgesellschaft natürlich entgegen», sagt der Kulturwissenschafter.
Christliche und weniger christliche Bräuche
Dennoch ist die religiöse Bedeutung nicht ganz verloren gegangen. Die Kirchen sind an Ostern gut besucht, und überall erklingen Osterkonzerte. Auch andere kirchliche Bräuche wie die Osterprozession in Mendrisio haben sich seit dem 16. Jahrhundert bis heute erhalten:
Das aufwendig inszenierte Kostümspektakel mit rund 700 Darstellern, welche die Stationen des Kreuzwegs nachspielen, gehört zum Unesco-Kulturerbe und lockt jährlich Tausende Zuschauer ins Tessin. Weniger christlich sind Bräuche wie das Zwänzgerle am Ostermontag in der Zürcher Altstadt, das im 18. Jahrhundert entstanden ist.
Dabei werfen die Erwachsenen ein 20-Rappen-Stück auf die Ostereier der Kinder – prallt es ab, gehören Geld und Ei den Kindern, bleibt es stecken, haben die Grossen gewonnen. Der Brauch erfordert so viel Geschick, dass der Nachwuchs meist ein gut gefülltes Säcklein nach Hause nehmen kann.
Familienausflüge mit Bibeli und Kaninchen
Die öffentlich zelebrierten Bräuche sind das eine, vor allem wird der Osterhase aber im Familienkreis gefeiert: Eier bemalen und «tütschen», Osterneste suchen, Streit schlichten, wenn ein Kind den grösseren Schoggihasen gefunden hat als das andere … «Gerade wenn vieles in der Welt ‹scheps› läuft, können familienzentrierte Feste wie Ostern ein Ankerpunkt sein», sagt Gallati.
«Bräuche dienen traditionellerweise dazu, soziale Bindungen herzustellen. Sie wirken stabilisierend und rhythmisieren unser Leben. Auch heutzutage brauchen wir Fixpunkte im Jahresverlauf, sonst verlieren wir uns im Einerlei des Alltags.» In Zeiten von Patchworkfamilien hat sich das Fest allerdings von der Kernfamilie des Bürgertums zur bunt durchmischten Truppe ausgeweitet, wie Gallati betont. Wer an Ostern einen Familienausflug unternehmen will, hat die Qual der Wahl.
Nebst Vaduz lassen sich auch in Olten kunstvoll verzierte Ostereier aus diversen Kulturkreisen bewundern. Und in mehreren Naturmuseen sorgen lebende Kaninchen und frisch schlüpfende Bibelis für einen Jö-Effekt. Das Naturmuseum St. Gallen schlägt den Bogen von den Hühner- und Wachtelküken gar bis zu den eierlegenden Achatschnecken und Gespenstschrecken. So bunt und vielfältig ist Ostern.
Ausstellungen
Ostereier – Kunstwerke im Kleinformat
Bis So, 14.4., Haus der Museen Olten SO
Meister Lampe und das Osterei
Bis So, 5.5., Liechtensteinisches Landesmuseum Vaduz
Mit lebenden Tieren und Rahmenprogramm für Kinder: Hase Huhn Wir – Tierische Ostern
Fr, 29.3.–So, 31.3., Naturama Aarau
Osterausstellung
Bis Mo, 1.4., Naturmuseum Olten SO
Die Osterbibeli kommen wieder
Bis So, 7.4., Naturmuseum Luzern
Allerlei rund ums Ei
Bis So, 21.4., Naturmuseum St. Gallen
Osterkonzerte
J. S. Bachs Johannespassion
Am Karfreitag singt der Berner Kammerchor unter Jörg Ritter mit internationalen Solistinnen und Solisten die nach der Matthäuspassion zweitwichtigste und vollständig erhaltene Passion von Bach. Fr, 29.3., 17.00 Münster Bern
Kammermusik zur Passionszeit
Die herausragende Berner Freitagsakademie hat ein Osterprogramm mit Werken von J. S. Bach, Christoph Graupner und J. D. Heinichen zusammengestellt. Fr, 29.3., 17.00 Französische Kirche Bern Sa, 30.3., 18.00 Farelhaus Biel BE
J. S. Bachs Matthäuspassion
Der Osterklassiker schlechthin mit dem Freiburger Barockorchester, der Zürcher Sing-Akademie sowie namhaften Solisten. Sa, 30.3., 18.00 Tonhalle Zürich
Osterkonzert im Kloster
Der ukrainisch-schweizerische Pianist Andriy Dragan spielt festliche Werke von Mozart-Sohn Franz Xaver, der lange im ukrainischen Lviv wirkte, sowie die Impromptus von Franz Schubert. Dazwischen sind Werke von ukrainischen Komponisten zu hören. So, 31.3., 16.00 Kloster Engelberg OW
Choralmusik Mozarts
«Missa solemnis» und Händels «Halleluja» aus dem «Messias» bringen der St. Galler DomChor samt Solisten, die Männer-Choralschola sowie das Collegium Instrumentale und Domorganist Christoph Schönfelder zur Aufführung. So, 31.3., 10.30 Kathedrale St. Gallen