«Manche Kirchenorgeln klingen grauenvoll und sind eine Zumutung für mich und mein Publikum.» Diesen fast schon häretischen Satz sagt Cameron Carpenter in einem demnächst erscheinenden Filmporträt. Der 33-jährige US-amerikanische Organist aus Pennsylvania ist längst weltbekannt. Nicht nur, weil er – ähnlich dem britischen Geiger Nigel Kennedy – in exzentrischen Outfits und Frisuren auftritt. Da ist weit mehr: Die Philharmoniker seiner Wahlheimat Berlin sehen ihn als einen der zwar schrillsten, aber auch besten Organisten der Gegenwart.
Cameron war ein Wunderkind und gab als Teenager schon bejubelte Konzerte. In New York absolvierte er die renommierte Juilliard School, hat sich den Kanon der klassischen Orgelmusik also in Kopf, Hände und Füsse gespielt.
Wie ein Steptänzer
Aussergewöhnlich ist Carpenters Spieltechnik: Er huscht wieselflink über die Manuale, bedient oft zwei Tastaturen mit derselben Hand und zieht die Register im Fluge. Seine Beinarbeit verglich die «New York Times» mit jener des Steptänzers Fred Astaire.
Seine hohe technische Qualität paart Cameron Carpenter mit einer Exzentrik nicht nur äusserlicher Art. Sein Repertoire reicht weit über die sakrale Orgelliteratur hinaus. Er adaptiert Klavier- und Cellokonzerte oder monumentale Orchesterwerke wie Modest Mussorgskis «Bilder einer Ausstellung» oder Gustav Mahlers 5. Sinfonie. Zudem hört sich der «Paradiesvogel an der Orgel» (NZZ) in der modernen und zeitgenössischen Musik von Skrijabin bis Piazzolla um, komponiert eigene Stücke und intoniert Popsongs von Leonard Cohen oder Burt Bacharach. Seine CD «Revolutionary» wurde 2009 prompt für einen Grammy nominiert.
Dieser stilistischen und technischen Offenheit wurden bis anhin aber Grenzen gesetzt. Cameron Carpenter war auf seinen Tourneen auf Kirchenorgeln angewiesen, die nicht immer seinen Ansprüchen genügten. Er wandte sich deshalb an die Toningenieure des US-amerikanischen Digitalorgel-Pioniers Marshall, die ihm eine Orgel auf den Leib bauten. Eine transportable Tournee-Orgel mit fünf Manualen und unzähligen Registern, bestückt mit den digital gespeicherten Sounds der weltweit besten Kirchen-, Kino- und Jahrmarkt-Orgeln.
Des Meisters Respekt
«Diese virtuelle Orgel», schwärmt Carpenter im erwähnten Dokumentarfilm, «gibt mir eine lang erträumte, umfassende künstlerische Freiheit.» Das wuchtige Instrument flösse ihm aber auch Respekt ein. «Es ist so gut, dass ich kaum je all seine Möglichkeiten werde ausschöpfen können.»
Im März bespielte Carpenter seine «International Touring Organ» erstmals öffentlich im New Yorker Lincoln Center. Nun kommt er damit nach Zürich. Im Gepäck hat er seine neue CD – mit Aufnahmen freilich seines neuen monumentalen Spielzeugs. Ein kleiner Hörtipp: Ohren öffnen und sich gut festhalten!
CD
Cameron Carpenter
If You Could Read My Mind
(Sony Classical 2014).
Konzert
Cameron Carpenter
So, 11.5., 19.30
Kongresshaus Zürich