oper Internet-User als Opernregisseure
www.internetoper.de<br />
Eine Oper zum Selber-gestalten: Das Internet liefert auch in diesem Bereich neue Impulse. Dass die User aber als Regisseure, Produzenten oder als Musiker wirken können, ist verblüffend.
Inhalt
Kulturtipp 07/2011
Fritz Trümpi
Die Oper stecke in einer tiefen Krise, sagen die einen. Andere bezeichnen sie als lebendigste Kunstform überhaupt. Zu Letzteren gehört der Regisseur Dirk Schattner, der zusammen mit Michaela Dicu die Produktionsleitung der Webseite innehat. Sie beide sind überzeugt, dass es für die Oper höchste Zeit ist, sich den neuen Medien offensiv anzunähern: «Die Internetoper macht es möglich, das Fenster für einmal ganz weit aufzumachen und alle 100 Millione...
Die Oper stecke in einer tiefen Krise, sagen die einen. Andere bezeichnen sie als lebendigste Kunstform überhaupt. Zu Letzteren gehört der Regisseur Dirk Schattner, der zusammen mit Michaela Dicu die Produktionsleitung der Webseite innehat. Sie beide sind überzeugt, dass es für die Oper höchste Zeit ist, sich den neuen Medien offensiv anzunähern: «Die Internetoper macht es möglich, das Fenster für einmal ganz weit aufzumachen und alle 100 Millionen Möglichkeiten der Realisation von Oper zuzulassen und sogar miteinander zusammenzuführen», schwärmte Schattner vor einiger Zeit in einem Interview. Und Michaela Dicu doppelte nach, es sei unbedingt notwendig, dass die Oper auf diese Möglichkeiten des Internets zurückgreife, um sich einem breiteren Publikum zu öffnen.
Start im Jahr 2010
Anlässlich von «Ruhr.2010» – als Essen für das Ruhrgebiet europäische Kulturhauptstadt wurde – haben die beiden ein äusserst ambitioniertes und kurzweiliges Projekt ausgeheckt. Dem berühmten Opernstoff «Manon Lescaut» entnahmen sie das Material für die Internetoper namens «Die Affäre Manon». Dazu liessen sie von der Jungen Philharmonie Westfalen gleich zwei bestehende Opern einspielen: Einmal «Manon Lescaut» von Giacomo Puccini, dann auch Hans-Werner Henzes Werk «Boulevard Solitude», dem der Manon-Stoff in der Textversion von Grete Weil zugrunde liegt. Nimmt man die Romanvorlage von 1731 mit dazu, liegen im Materialordner auf der Homepage somit drei Text- sowie diverse Musikversionen – je einmal mit und einmal ohne Gesang – zur Bearbeitung bereit.
Die Internet-Regisseure sollen sich aber nicht überfordert fühlen: Es geht nicht darum, die gesamte Oper durchzugestalten. Gefragt sind vielmehr Beiträge zu einzelnen Abschnitten, die höchstens ein paar Minuten dauern. «Die Affäre Manon» ist in 50 Episoden unterteilt, für die nach Belieben Beiträge produziert und hochgeladen werden können.
(Fast) absolute Freiheit
Die Wahl von Text und Musik obliegt einzig den Usern – entweder können sie die bestehenden Materialien verwenden oder aber völlig neue Musik- und Texteinspielungen vornehmen. Wie das technisch genau vor sich geht, wird in einer Website-eigenen «Toolbox» detailliert beschrieben.
Die einzige Bedingung zur Teilnahme: Die hochgeladenen Videos sollten inhaltlich im weitesten Sinne zur jeweiligen Episode passen. Von dramaturgisch raffiniert gemachten und ausgeklügelten Episodendarstellungen bis hin zu spontan aufgenommenen Handyfilmchen à la YouTube findet sich denn auch so ziemlich alles.
Schattner und Dicu haben damit eine spielerische Form im Umgang mit Oper geschaffen, die derart erfolgreich war, dass davon abgesehen wurde, das Portal mit dem Ende von Ruhr.2010 zu schliessen: Mindestens bis im Sommer kann in der Internetoper also weiterhin nach Belieben gestöbert, produziert und hochgeladen werden. Eingeladen dazu sind alle – «vom Otto Normalverbraucher bis hin zur Künstlerin», wie Michaela Dicu betont, «und nicht zuletzt jene, die in der Oper gerne ‹Buh› brüllen – hier können sie endlich ihre eigene Vorstellung von Oper umsetzen».