Sieben Türen hat das Schloss von Herzog Blaubart. Hinter jeder verbirgt sich eine Facette seiner Macht und seines Einflusses: Waffen, Juwelen, prächtige Gärten. Überall ist Blut, hinter der sechsten Türe liegt ein riesiger See aus Tränen. Und hinter der siebten Türe hält Blaubart seine drei bisherigen Frauen gefangen. Judith öffnet sie und lässt sich als vierte einsperren – eine weitere Trophäe in der Sammlung des Herzogs.
«Musikalisch spannende und komplexe Oper»
1911, als sich der noch junge Béla Bartók für diesen Stoff interessierte, blühte vor allem im französischen Sprachraum der Symbolismus mit seiner Ästhetik des Hintergründigen und Unbewussten. Béla Balázs, der Librettist, der für Bartók diesen uralten Mythos einrichtete, war beeinflusst von Maurice Maeterlinck, der literarischen Lichtgestalt dieser Bewegung. Und Bartók selbst war fasziniert von Debussys Oper «Pelléas et Mélisande», die ihrerseits auf einem Buch von Maeterlinck basiert. Es sei auch die Musik gewesen, die sie an dieser Oper als erstes interessiert habe, sagt Anika Rutkofsky. Die 35-jährige Regisseurin, die aus Kasachstan stammt und in Baden-Württemberg aufgewachsen ist, wird den Blaubart-Stoff für das Luzerner Theater inszenieren: «Bartóks Oper ist ein grosses Meisterwerk, ein Monolith, musikalisch sehr spannend und komplex gedacht. Bartók legt viele Fährten, die im Geheimnisvollen bleiben.»
Lehnt sich Judith gegen Blaubart auf?
Die Geschichte muss dennoch erzählt werden. Nicht einfach für eine junge Regisseurin von heute, dem Publikum die Motivationen dieser Protagonistin plausibel zu machen. Anika Rutkofsky, die ihr Handwerk bei Regie-Grössen wie Peter Konwitschny, Andrea Breth oder Calixto Bieito gelernt hat, sieht ihre Judith denn auch nicht als Opfer mit Helfersyndrom. Sie traut ihr vielmehr zu, sich gegen Blaubart aufzulehnen: «Blaubart ist ein Serientäter. Er wird weiter morden. Und das ist auch der Ausgangspunkt unserer Inszenierung. Dieser Mann ist eigentlich kein wirklicher Mann, sondern er verkörpert eher einen Mechanismus, ein System, das von uns allen über sehr lange Zeit genährt wurde.» Ob und wie ihre Judith es schaffen wird, das System Blaubart zu durchbrechen, weiss Rutkofsky noch nicht. Sie seien mitten im Probenprozess, da könne sich noch vieles entwickeln. So arbeitet diese Regisseurin: Ohne festes und vorgedachtes Konzept, in enger Kooperation mit den Sängerinnen und Sängern. So hat sie es als Assistentin beim Regie-Duo Jossi Wieler und Sergio Morabito in Stuttgart kennen und schätzen gelernt. «So viel hängt von den Sängern ab. Alle Emotionen der Musik müssen durch ihren Körper gehen. Auch mit dem Dirigenten und der Dramaturgie gab es schon sehr früh einen engen Austausch. Das war mir sehr wichtig. Alle sollen auf Augenhöhe mitdenken.»
«Wir zeigen ein Männlichkeitsmonstrum»
Zusammen haben sie sich eingelesen in die vielen, oft unterschiedlich erzählten Versionen des «Blaubart»-Mythos. Die Bühne wird gebildet von einem Halbkreis aus Säulen, der die musikalische Struktur der Oper spiegelt und verschiedene Räume möglich macht. «Wir werden nicht die sieben Türen zeigen », sagt Rutkofsky. «Es geht uns nicht so sehr um die Seelenräume und das Innenleben von Blaubart. Wir wollen eine Maschine zeigen, ein Männlichkeits-monstrum. » Den Gegenentwurf dazu soll die Inszenierung nicht präsentieren: «Vielleicht kann Judith das System durchbrechen. Aber die Maschine ist vielleicht auch nicht tot. Wir sehen nicht, was danach kommen könnte.» Keine feministische Weltsicht also? «Nein», lacht Rutkofsky: «Wir wissen ja nicht, ob diese dann besser wäre.» Nach dem düsteren «Blaubart » in Luzern geht es für die Regisseurin lustiger weiter: In Stuttgart inszeniert sie Donizettis Liebeskomödie «L’Elisir d’Amore». Sie will sich breit aufstellen: «Es geht darum, das Repertoire sozusagen durch die eigenen Finger rieseln zu lassen und herauszufinden, wo meine Stärken sind und wo ich weiterarbeiten muss.»
Herzog Blaubarts Burg
Premiere: So, 4.9., 15.00
Luzerner Theater