Früher war nicht alles besser – ausser in der Opernwelt. Und vor allem in Zürich. So könnte jedenfalls denken, wer in Zürcher Opernkreisen verkehrt. Gross war der Aufschrei der Alexander-Pereira-Nostalgiker und des «Tages-Anzeigers», als Andreas Homoki 2012 das Opernhaus übernahm und das Sänger-Ensemble massiv verkleinerte. Da er auch neue Sänger brachte, durfte von den Alteingesessenen kaum jemand bleiben. Konnte das gut gehen? Ex-Direktor Pereira hatte ein prächtiges Riesenensemble geschaffen, das allerdings eine Unmenge Geld kostete. Nun sollte partiell gespart und das «System Homoki» durchgesetzt werden. Zwar greift es nach drei Jahren, doch die Pereira-Sänger-Fans sind nicht verstummt.
Wir reden nicht von Stars wie Cecilia Bartoli, obwohl auch sie seit 1989 in Zürich auftritt. Aber die Italienerin singt diese Saison mehr in Zürich als zum Ende der Pereira-Ära. Tatsächlich geht die Bindung der Opernfans über die Stars der ersten Reihe hinweg zur zweiten Garde, ja weiter bis zu Nebenrollen, zum zweiten Zwerg von links. Manch einer dieser Sänger schloss die Zürcher Opernfamilie so sehr ins Herz, dass man sie im gleichen Atemzug wie die wahren Stars nannte. Doch die Leistung dieser zweiten Garde zu verklären, ist falsch, wie ihr weiterer Werdegang zeigt.
Umzug nach Salzburg
Die 51-jährige Rumänin Elena Mosuc stand jahrelang im Schatten von Edita Gruberova. Als sich die Primadonna mit Pereira verkrachte, war der Weg für Mosuc frei. Aber kaum war Homoki da, sang Gruberova nochmals zwei grosse Belcanto-Partien – Mosucs Partien. Andere Mosuc-Rollen wie Gilda oder Violetta sangen Alexandra Kurzak und Sonya Yoncheva, weltweit bejubelte Stars in diesen Partien.
Die 49-jährige Schwedin Malin Hartelius sang in Zürich unheimlich viel, meist recht gut, aber es reichte nie, um an weltberühmten Häusern richtig Fuss zu fassen. Das änderte sich, als Pereira nach Salzburg wechselte. Als Festspieldirektor zeigte er sich als loyaler Patron, nahm seine Zürcher Schäfchen mitsamt Ensemble-Mäuschen mit. Jeder konnte nun behaupten: Seht her, ich bin ein Salzburg-Star! Der alternde Matti Salminen konnte dort nochmals den Philipp II. in «Don Carlo» singen, und selbst an der Scala, wo Pereira 2014 die Intendanz übernahm, durfte der 70-jährige Finne auftreten – wurde allerdings ausgebuht. So zeichnet sich nun bei Salminen genauso wie bei Hartelius ein Rückzug in das Heimatland ab.
Die 49-jährige Isabel Rey war das Goldschätzchen. Wo auch immer ein leichter Sopran gebraucht wurde, lächelte sie tief dekolletiert in den Saal. Aber konnte sie jemals mit den Weltbesten mithalten? 2016 sang Rey in Las Palmas, in Mao (Balearen), Valladolid und Valencia.
Grosse Vertrautheit
Kein Dirigent war beim Zürcher Publikum beliebter als Nello Santi. Obwohl er nicht ins aktuelle Dirigenten-Konzept «jung, billig und gut» passt, war man nicht so dumm, ihn ganz abzusetzen. In dieser Saison dirigiert er nicht, denn er habe Angebote erhalten, so Homoki. Doch der Absage dürfte etwas anderes zugrunde liegen. Santi wird im Herbst 85.
All diese Künstler würden
das aktuelle Programm des Opernhauses nicht besser machen, keiner muss ihnen nachtrauern – dem Pereira-System allerdings durchaus: Es schaffte Vertrautheit, und daraus ergab sich Wohlgesinntheit. Da durfte einer auch mal etwas am Rande seines Könnens ausprobieren. Thomas Hampson, 60 Jahre alt, genoss diesen Status. Er sang seit Mitte der 1980er-Jahre unter drei Zürcher Intendanten, erst bei Homoki war Schluss.
Hampson fällt allerdings unter die Zürcher Kategorie «zu teuer», beziehungsweise «zu teuer für die heutige Leistung». Darunter fallen auch Stars wie Vesselina Kasarova, Piotr Beczala und Jose Cura. Homoki engagiert Sänger, die auf dem aufsteigenden Ast sind – und folglich billiger.
Die Vermissten
War der Name gross genug, vertraute Pereira durchaus auf solche, deren Stern schon am Sinken war: Mara Zampieri, Mirella Freni, Nicolai Ghiaurov, Agnes Baltsa, Giorgio Zancanaro oder Ruggero Raimondi sowie Tenor-Stars: Giuseppe Giacomini, Francisco Araiza, José Carreras oder Neil Shicoff. Künstlerisch fragwürdig, für die Kasse trotz Wahnsinnsgagen meist ein Gewinn: Opernfans sind Nostalgiker, lieben nichts mehr als grosse Namen. Bei passender Besetzung schaut man in fünf Jahren sieben Mal «Tosca». Heute kommen Spitzensänger bisweilen bloss für eine einzige Produktion nach Zürich.
Sehr vermisst von den Zürcher Opernfans werden übrigens auch Deon van der Walt, Gösta Winbergh, Alfredo Kraus und Laszlo Polgar. Sie sind alle tot. Nachgetrauert wird aber auch Tenorstar Jonas Kaufmann. Er will sich offenbar nicht für ewiglange Proben an Häuser binden. Das toleriert Homoki nicht, passt nicht in sein System.
Konzerte
Cornelia Kallisch
Mo, 8.2., 19.30 Kleiner Tonhallesaal Zürich
Liedrezital: Franz Schubert, Othmar Schoeck, Edvard Grieg, Edward Rushton
Malin Hartelius
Fr, 19.2., 19.30 & So 21.2., 17.00 Tonhalle St. Gallen
Sinfonieorchester St. Gallen, Richard Strauss «Vier letzte Lieder» u.a.