Oops, wrong planet! Im eigenen Planetensystem
Stimmkünstler Christian Zehnder und Dokumentarautorin Gesine Schmidt begeben sich in ihrer <br />
ersten Zusammenarbeit mit dem Stück «Oops, wrong Planet!» ins <br />
autistische Universum.
Inhalt
Kulturtipp 08/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
Auf Autisten wirkt unsere Gesellschaft meist wie ein fremder Planet. Christian Zehnder und Gesine Schmidt widmen sich dem Thema beide auf ihre eigene Art. «Der Kontrast von Gesines dokumentarischer Arbeit und meinem archaischen und intuitiven Umgang mit Musik hat uns gereizt», sagt Zehnder und Schmidt ergänzt: «Das Thema Autismus lädt von der Form her dazu ein, die sprachliche und musikalische Ebene zu verbinden. Die andere Art der Wahrnehmungsverarbeitung läs...
Auf Autisten wirkt unsere Gesellschaft meist wie ein fremder Planet. Christian Zehnder und Gesine Schmidt widmen sich dem Thema beide auf ihre eigene Art. «Der Kontrast von Gesines dokumentarischer Arbeit und meinem archaischen und intuitiven Umgang mit Musik hat uns gereizt», sagt Zehnder und Schmidt ergänzt: «Das Thema Autismus lädt von der Form her dazu ein, die sprachliche und musikalische Ebene zu verbinden. Die andere Art der Wahrnehmungsverarbeitung lässt sich nicht allein durch Sprache vermitteln.»
Betroffenen-Gespräche
Zur Annäherung an das komplexe Thema hat Schmidt Interviews mit vier Menschen geführt, die vom Autismus oder einer abgeschwächten Form davon, dem Asperger-Syndrom, betroffen sind: Mit Zwillingen, beide Philosophiestudenten, welche Lyrik-Bände veröffentlichen, einer Ärztin und einem 15-jährigen Schüler, der Vulkanologe werden will. Ein direktes Gespräch hat nur mit Letzterem stattgefunden. Die Zwillinge etwa kommunizieren mit der Aussenwelt nur per Mail – und dies in einer sehr bewussten, elaborierten Ausdrucksweise fern der Alltagssprache, wie Schmidt sagt. Um auch eine Aussenperspektive zu erhalten, hat die Autorin zudem mit der Mutter einer 14-Jährigen mit frühkindlichem Autismus gesprochen. «Die Mutter ist bei allen eine wichtige Instanz, sie stellt die Brücke zur Welt her», erklärt Schmidt. Aus der Verdichtung und Montage der transkribierten Interviews und schriftlichen Texte der Gesprächspartner entstand ein dramaturgisch komponierter Theatertext. Wichtig war ihr, möglichst authentisch zu sein, um aus der Innenperspektive heraus berichten zu können. Auf der Bühne sind es Schauspieler, die sich in diese Welt versetzen.
«Um alles miteinander zu verbinden und lebendig zu gestalten, wurde der Kosmos noch um drei Kunstfiguren – ein Bildwerker, ein Sänger und ein Soundtüftler – erweitert», erklärt Christian Zehnder, der nebst der Musik auch die Regie übernimmt. Er selbst hat schon in einem Musikprojekt mit Autisten gearbeitet und in seiner eigenen Arbeitsweise als Künstler – im konzentrierten Rückzug ins Innere – autistische Züge entdeckt.
Fremdes nahebringen
Während Schmidt mit ihren Texten den informativen Part übernimmt, hat Zehnder einen anderen Zugang. «Für mich haben diese Textblöcke Energie. Ich folge der Schwingung, der Atmosphäre hinter den Texten und bringe sie zum Klingen.» Die Inszenierung werde von live-elektronischer Musik getragen, ansonsten alles aus der Stimme generiert. «Es ist eine sehr präzise Komposition. Bei den Autisten gibt es nichts Zufälliges, sonst fallen sie aus der Struktur. Unsere Inszenierung nimmt dies auf», sagt er.
Das Zusammenwirken von Schmidts dokumentarischer und Zehnders klanglich-sphärischer Arbeit scheint eine befruchtende Wirkung zu haben. Die beiden ergänzen sich gut, was auch im Gespräch spürbar wird. Sie sind sich einig: In der Inszenierung soll den Zuschauern das Fremde nahegebracht und das vielfältige Spektrum des Autismus, bei dem die Grenze zum Normalen fliessend ist, abgedeckt werden. Nebst Sprache und Musik wird das bewegliche Bühnenbild ein weiteres Mittel dazu sein. Die Darsteller reisen in einem Planetensystem in ihre eigenen Welten, wo das Gesetz der autistischen Gesellschaft herrscht.