Online-Plattenladen: Der direkte Draht zum Künstler
Bandcamp lässt Musiker ihre Kunst in Eigenregie vertreiben und ist ein Schlaraffenland für entdeckerfreudige Fans. Doch die vermeintliche Win-Win-Situation hat ihre Tücken.
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Kulturtipp 02/2019
Jonas Frehner
344 Millionen US-Dollar: So viel landete laut Bandcamp bis heute auf Konten von Musikern und Bands, die ihre Songs und Alben über die Onlineplattform verkauften. Als digitale Downloads oder analoge Tonträger, in Eigenregie oder über Vertriebspartner. Die Zahl wirkt wie süsser Nektar auf die kleinen Bienen im Musikbusiness. Und das 2008 in Kalifornien gegründete Unternehmen lockt Künstler und Labels mit weiteren Versprechen: Eine eigene Seite einrichten und Musik ...
344 Millionen US-Dollar: So viel landete laut Bandcamp bis heute auf Konten von Musikern und Bands, die ihre Songs und Alben über die Onlineplattform verkauften. Als digitale Downloads oder analoge Tonträger, in Eigenregie oder über Vertriebspartner. Die Zahl wirkt wie süsser Nektar auf die kleinen Bienen im Musikbusiness. Und das 2008 in Kalifornien gegründete Unternehmen lockt Künstler und Labels mit weiteren Versprechen: Eine eigene Seite einrichten und Musik hochladen ist kostenlos – es werden lediglich 15 Prozent vom Umsatz aus digitalen Verkäufen und 10 Prozent auf physische Tonträger verlangt. Zum Vergleich: iTunes behält 30 Prozent vom Verkaufspreis.
«Der heilige Gral der Online-Plattenläden»
Ohne Zwischenhändler hat der Künstler die volle Kontrolle: Er entscheidet, ob seine Musik kostenlos gestreamt werden darf und zu welchen Bedingungen er Songs zum Download oder Tonträger zum Kauf anbietet. Vor allem Indie-Labels nutzen die Plattform, welche von der «New York Times» schon als «der heilige Gral der Online-Plattenläden» bezeichnet wurde. Bandcamp ersetzt aber nicht nur den Verkaufspunkt, sondern ist auch Promotool und direkter Draht zum Künstler; ausser am Merchandise-Stand nach Konzerten fliesst kaum je ein Franken so direkt zum Musiker. Das macht die Website zum Mekka für Fans, denen das Auskommen ihrer Lieblingskünstler am Herzen liegt.
Mit Bandcamp das Überleben der Musiker zu sichern, ist aber illusorisch. «Ein kleiner Künstler, der nicht fähig ist, sich selbst zu promoten, wird auch dort nichts verkaufen», sagt Andreas Ryser, Labelchef bei Mouthwatering Records und Präsident des Verbands IndieSuisse. Zwar nutze eine eingeschworene Indie-Community die Website und die dazugehörige App (siehe unten), um ausschliesslich über diesen Kanal Musik zu entdecken, zu kaufen und zu hören. Das massive Überangebot aber lasse kleine Bands sang- und klanglos untergehen. Kämen Bestellungen rein, würden Aufwand und Kosten für den Versand in keinem Verhältnis zum Preis stehen. Trotzdem sieht Ryser Chancen: «Wer die richtige Nische bedient, kann so viel umsetzen, dass ein Distributor den Versand übernimmt und es sich rechnet.»
Aus Leidenschaft und Liebe zur Musik
Für Angelo Repetto vom Electro-Pop-Duo Wolfman hat Bandcamp bestechende Vorteile: «Ich kann selbst ungefiltert Musik hochladen, den Preis bestimmen und erhalte direkte Unterstützung.» Musik erhalte durch den Kauf – auch digital – sofort einen höheren Stellenwert. Und schliesslich stehe sowieso die Leidenschaft im Zentrum: «Natürlich sprechen die Zahlen dagegen, doch geht es mir um die Liebe zum Produkt, zur Musik.» Als kürzlich ein Fan aus San Francisco eine Platte orderte, musste Repetto selbst zur Post. Eine Extrameile, die der Musiker gerne ging.
Paradies für Entdecker
Bandcamp ist nahe an Künstlern, bietet aber auch allgemein Musikinteressierten viele Vorteile:
- Künstlern und Labels folgen und per Mail Infos über neue Releases erhalten Streaming und Downloads in hoher - Qualität
- Entdecken von Musik über Tags, Discovery-Funktion und Community
- Kuratierte Empfehlungen: Album of the Day, Featured, Bandcamp Daily, Bandcamp Weekly mit Radioshow
- iOS- und Android-App mit überzeugendem Player, in dem gekaufte Songs und kostenlose Streams gehört werden können
www.bandcamp.com