Noch bevor die Menschen das Internet mit Katzen-Videos füllten, drehten Fischli/Weiss «Büsi». Der Kurzfilm zeigt eine Hauskatze, die Milch aus einem Unterteller schleckt. Sechseinhalb Minuten lang. Mit der Auftragsarbeit von 2001 zelebrierte das Schweizer Künstler-Duo seine Freude an Banalitäten des Alltags. Wer Fischli/Weiss’ Sinn für Humor teilt, kann «Büsi» nun auf der Homepage der Julia Stoschek Collection anschauen.
Die Sammlung ist eine der weltweit grössten privaten Kollektionen von Videokunst, Performance- und Klang-Arbeiten. Julia Stoschek, Betriebswirtin und Kunstmanagerin, stammt aus einer deutschen Industriellen-Familie und sammelt seit 2003 hauptsächlich video- und filmbasierte Werke.
«Kunst soll gesehen werden»
Gerne verwendet Stoschek dafür den Begriff «zeitbasierte Medienkunst». Dieser sei präziser als «Videokunst», schliesslich sei die Zeit das zentrale Element dieser Kunstgattung: Jene, die innerhalb des Werks vergeht. Und jene, während der die Betrachter das Werk erfassen.
Über 860 Arbeiten von den 1960ern bis in die Gegenwart hat Stoschek bereits zusammengetragen. Unter den gut 282 vertretenen Künstlerinnen und Künstlern finden sich bedeutende Namen wie Nam June Paik, Bruce Nauman, Sophie Calle und Pipilotti Rist. Seit 2007 hat die Julia Stoschek Collection einen festen Sitz in Düsseldorf, wo sich die Sammlerin und ihr Team um die wissenschaftliche Aufarbeitung, Konservierung und Vermittlung der Werke kümmern.
Seit letztem Herbst setzt Stoschek nun auch auf die Digitalisierung. Nach und nach will die Sammlerin ihre Bestände im Internet frei zugänglich machen. «Für mich ist diese digitale Präsentation der Kollektion ein wahr gewordener langjähriger Traum. Kunst soll gesehen werden», sagte sie unlängst in einem Interview. Was bisher hochgeladen wurde, finden die Besucher im Bereich «Sammlung». Unter «Tags» den Filter «online einsehbar» anklicken, und schon werden gut 80 digitalisierte Schätze inklusive kurzer Begleittexte angezeigt.
Ein lohnenswerter Online-Besuch
So findet man beispielsweise «X» der US-amerikanischen Experimentalfilm-Pionierin Barbara Hammer (1939–2019). In diesem sehr persönlichen 16-mm-Film von 1975 verhandelt Hammer ihr Selbstbild, ihre Körperlichkeit und ihr Lesbischsein. Ein weiteres Highlight ist «The Woolworth Choir of 1979», für den die Britin Elizabeth Price 2012 den renommierten Turner Prize erhielt. Price verwebt 3D-Grafiken einer Kirche, Schnipsel aus Pop-Clips und Archivaufnahmen des Woolworth-Kaufhausbrandes in Manchester von 1979. Diese disparaten Bilderwelten führt die Künstlerin über Klatsch- und Schnippgeräusche, über Lied-Fragmente und sich gleichende Armbewegungen von Popstars und Zeugen des Feuers zusammen. Verstörend ist dies – und doch faszinierend, hypnotisch. Auch wenn erst ein Bruchteil der Julia Stoschek Collection aufgeschaltet ist, lohnt sich ein Besuch in der stets wachsenden Online-Sammlung. Von Fischli/Weiss etwa findet man da noch eine zweite Arbeit: «Hunde» von 2003. Man kann ja nicht die ganze Zeit Katzen-Videos anschauen.
Julia Stoschek Collection
www.jsc.art