Es ist nicht das Foto, das in Erinnerung bleibt. Willehad Eilers Schnappschuss «Walkie Talkie #75» (siehe Bild oben) aus seinem Atelier zeigt ein grossformatiges Gemälde, das an einer Wand lehnt. Aus Distanz lässt sich gerade einmal eine groteske Festgesellschaft erahnen. Aber was der deutsche Maler dazu schreibt, vergisst man nicht so schnell: «Als Reaktion auf eine leichte Einsamkeit, begann ich, so viele Menschen wie möglich auf meinen Bildern zu versammeln.» Ein Satz für das Corona-Jahr 2020.
Seit Mitte März läuft das Projekt «Walkie Talkie» des Museums im Bellpark Kriens. Das Haus lädt jeden Tag einen Beitrag einer Künstlerin oder eines Künstlers auf den Instagram-Kanal und auf der Homepage hoch. Die Idee dazu entstand kurz nach Beginn des ersten Lockdowns. Laut Museumsleiter Hilar Stadler bestand der Grundgedanke darin, den Kontakt zu Kunstschaffenden zu halten, die bereits einmal im Museum ausgestellt hatten – oder die das Haus für zukünftige Ausstellungen ins Auge gefasst hatten. «Uns war wichtig, dass die Künstlerinnen und Künstler nicht unbedingt nur Reproduktionen von Werken einsenden, sondern Botschaften aus dem Atelier und aus der Isolation; Hinweise zu Befindlichkeiten oder ihrer aktuellen Produktion», betont Hilar Stadler.
Momente der Kontemplation
Mittlerweile haben Künstler aus aller Welt am Projekt teilgenommen. Dabei ist «Walkie Talkie» mehr geworden als nur eine simple Onlinegalerie. Wer die Sammlung durchstöbert, findet sich in einer Mischung aus Corona-Logbuch und barocker Kunstkammer. Mal sind die Fotos, Videos, Gemälde und Tonspuren lediglich mit einem Titel versehen. Mal werden sie von der dazugehörigen Korrespondenz oder Gedanken der Kunstschaffenden begleitet.
So entdeckt der Betrachter viele kleine Momente der Kontemplation, die wiederum unzählige Momente des Erinnerns, Staunens und Assoziierens auslösen.
«Walkie Talkie #130»: Das Foto zeigt Gemälde an der Atelierwand des britischen Künstlers Callum Green. Durch ein Dachfenster fällt ein falber Lichtstrahl auf die Wand. Welch Ruhe diese Szene ausstrahlt!
Schwarzer Humor tröstete schon immer
«Walkie Talkie #47»: Im Video massiert die Schweizer Künstlerin Andrea Vogel die muskulöse Bronzestatue auf dem Sämannsbrunnen in Frauenfeld. Was für eine amüsante wie zärtliche Auseinandersetzung mit dem Mangel an Körperkontakt!
«Walkie Talkie #185»: Die isländische Textilkünstlerin Yr Johannsdottir führt ihre gestrickte Maske mit züngelnden Mündern vor. Welch wunderbar-trotzige Grenzüberschreitung! Und «Walkie Talkie #217»: Auf der Digitalcollage des Kolumbianers Julian Majin betrachtet ein Paar eine Atomexplosion, als sei es ein Sonnenuntergang. Schwarzer Humor hat schon immer getröstet!
Geplant ist, dass «Walkie Talkie» während insgesamt 365 Tagen läuft. Doch Museumsleiter Hilar Stadler möchte nicht ausschliessen, dass das Projekt danach weitergeführt wird. Gebrauchen könnten wir sie sicherlich auch in der Zukunft, diese Wunderkammer und Quelle der Inspiration.
Walkie Talkie
www.bellpark.ch/walkie-talkie