Olja Savicevic Ein Western ohne Held
Zuweilen rau, zuweilen poetisch beschreibt die kroatische Autorin <br />
Olja Savicevic im Roman «Lebt wohl, Cowboys» ein Dorf an der dalmatinischen Küste.
Inhalt
Kulturtipp 12/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
«‹Lebt wohl, Cowboys› ist kein Buch, das die Kroatische Tourismuszentrale empfehlen würde, ich befürchte, es würde die Leute nur erschrecken», sagte die 37-jährige Autorin aus Split in einem Interview am Rande der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Im namenlosen Ort an der kroatischen Küste, den sie beschreibt, sind die Weinberge «mit giftigem und kindlich farbigem Kupfersulfat besprüht», das Meer ist eine Müllh...
«‹Lebt wohl, Cowboys› ist kein Buch, das die Kroatische Tourismuszentrale empfehlen würde, ich befürchte, es würde die Leute nur erschrecken», sagte die 37-jährige Autorin aus Split in einem Interview am Rande der diesjährigen Leipziger Buchmesse. Im namenlosen Ort an der kroatischen Küste, den sie beschreibt, sind die Weinberge «mit giftigem und kindlich farbigem Kupfersulfat besprüht», das Meer ist eine Müllhalde und unter der Erde werden Verstorbene, teils Opfer des Krieges, von «dicken weissen Würmern gekaut». Doch das ist nur die eine Seite.
Im Zentrum des Romans steht die junge, orientierungslose Dada, die aus Zagreb an ihren Heimatort zurückkehrt, um herauszufinden, warum sich ihr Bruder umgebracht hat. Die Vergangenheit, als sie mit den Dorfkindern Cowboy und Indianer spielte, und die Gegenwart mit der von Medikamenten betäubten Mutter und der kühlen, scheinbar abgebrühten Schwester verschwimmen. In der flirrenden Hitze des Sommers trifft Dada auf die alten Bekannten und verlorenen Seelen des Dorfes und auf ihren Helden vergangener Tage, den grossen und inzwischen heruntergekommenen Westernstar Ned Montgomery. Der immer präsente Selbstmord des Bruders wird langsam und stetig eingekreist, beharrlich sucht die Protagonistin nach einer Antwort. Sprachlich drückt Savicevic dieses Einkreisen durch Wiederholungen einzelner Sätze oder Passagen aus, mit trockenem Humor hält sie Distanz.
Dada hat, wie die Autorin selbst, den KroatienKrieg als junge Erwachsene miterlebt. Der Krieg bleibt im Roman im Hintergrund und scheint doch in den Landschaftsbeschreibungen oder der Figurenzeichnung durch. Dada erinnert sich, wie die Bewohner im Dorf, das nicht direkt vom Krieg betroffen war, «abgeschnitten waren wie auf einer Luftmatratze, um die Haie kreisen». Savicevic schlägt einen rauen, direkten, mitunter derben Ton an – und wechselt unvermittelt zu einer Sprache voller Poesie. Mit ihrem Erzählband «Augustschnee» (2008) hat die Autorin und Journalistin bereits über Osteuropa hinaus auf sich aufmerksam gemacht. In der Schweiz blieb sie bisher eher unentdeckt – zu Unrecht, denn ihr eigenwilliges Romandebüt lohnt die Lektüre.
[Buch]
Olja Savicevic
Lebt wohl, Cowboys
Aus dem Kroatischen von
Blazena Radas
221 Seiten
(Voland & Quist 2011).
[/Buch]